Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/39

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Zur Behandlung und Entscheidung von Rechtssachen zwischen Universitätsangehörigen und von Klagen der Laien wider Universitätsangehörige war einzig der Rektor mit dem Konsistorium kompetent.

Für die Handhabung dieser akademischen Freiheiten war im einzelnen Falle der Nachweis erforderlich, daß der Betreffende wirklich zur Universität gehöre; der Kontrolle hierüber und der Sicherung vor Mißbrauch galten Bestimmungen sowohl des Rates als des Rektors. Die Privilegiertheit der eigentlichen Universitätsangehörigen, die seit Beginn auch für ihre Diener galt, wurde durch Ratsbeschluß von 1494 auch ihren Ehefrauen zugestanden.

Aber mit Urkunden und Privilegien war nicht Alles getan. Sondern dies Leben einer großen gefreiten Gruppe mitten im Gemeinwesen stellte tagtäglich Aufgaben, für die kein Statut vorsorgen konnte. Was hier waltete und wogte, war Jugend, Gewohnheit fremder Länder, Gelehrtenstolz Unerfahrenheit Geist und Übermut, und dabei bestand keine Hemmung und keine Beschirmung durch klösterliche Klausur oder durch die Schranken eines schon an sich geheiligten Standes. Daher jene zahlreichen Behutsamkeiten Mahnungen und Zusagen in den Dokumenten der Gründung. Daher die Befehle des Rates an seine Untertanen, die Universitätsleute gut und glimpflich zu behandeln und beim Verkauf von Waren oder bei der Zimmervermietung nicht zu übervorteilen. Weiterhin sein Entschluß, keine Juden und andere offenkundige Wucherer oder Fürkäufer hier zu dulden, sowie ein Kreditgeben an Studenten auf das Pfand ihrer Bücher zu untersagen. Dann aber auch das Versprechen der Universität, daß keiner ihrer Angehörigen andern Wein als Eigengewächs verwirten oder Würfelspiel in seinem Hause dulden oder Kaufmannsgeschäfte treiben solle. Ebenso das Verbot an die Studenten, Waffen zu tragen, nach dem Nachtglöcklein auf die Gassen zu gehen, in Gärten und Rebgüter zu steigen oder sich in die Tanzbelustigungen von Bürgern einzudrängen. Wenn die Streitsache des Theologiestudenten Gilg Sonntag, der 1477 bei einer nächtlichen Rauferei einen Diener des Bischofs verwundete, uns in lebendiger Weise eine Kollision dieser akademischen Freiheiten mit den Rechten des Diözesanherrn zeigt, so verriet sich bei andern Gelegenheiten, etwa bei nächtlichen Zusammenstößen der Scharwache mit Studenten, wie ungerne der Bürger diese Privilegien des Scholarenvolkes und die Jurisdiktion ihres Rektors sah. Deswegen auch die unaufhörliche Beschäftigung des Rates mit solchen einzelnen Vorfällen sowohl wie mit der allgemeinen Frage der Geltung des Stadtfriedens für die Studenten.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/39&oldid=- (Version vom 4.8.2020)