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er am First eines Hauses zu erkennen vermöge, ob eine Hexe darin sei; er selbst leugnet dies und will nur mit Segenssprüchen und Kräutern Etlichen, denen Krankheit und Schwäche „angetan“ worden, zu helfen gesucht haben. Er heilt den verhexten Oberstknecht und, da die Säckingerin krank liegt und kein Arzt ihr helfen kann, kommt er an ihr Bett, besieht sie beim Schein einer geweihten Kerze und sagt: es ist Euch angetan. Aber der Rat will nur gewissenhafte Experten; wie Meister Hans eine Frau unbegründeterweise als Hexe verleumdet, wird er auf ewig aus Basel verbannt. 1487 funktioniert hier ein andrer Hexenmeister: Hans Trittherfür.


In Inquisition und Hexenverfolgung erkennen wir nicht nur dumpfen Fanatismus und Wahn, sondern auch ein leidenschaftliches eiliges Bemühen, zu strafen und zu retten, so lange es noch Zeit ist. „Das Jahrhundert stürmt dahin, und der Abend der Welt neigt sich seinem Ende zu“, ruft der große Richter Institoris im malleus, „und die wachsende Bosheit der Menschen wird inne, daß ihr nur noch kurze Frist gegönnt ist.“ Ähnlich klingt es aus dem Mund eines Andern, dem wir lieber zuhören, Heynlins: „Die ganze Welt verharrt in Sünden, und ein Narr ist, wer da hofft, in ihr Frieden zu erlangen. Wer ruhen will, der verlasse das stürmische Meer dieser Welt und steige auf den Berg, nach dem wir uns sehnen, den Berg der wahren und ewigen Ruhe, das Himmelreich.“ Mit diesen Empfindungen geht Heynlin in die Karthause. So will Christoph von Utenheim mit seinen Freunden Geiler und Lamparter die Welt verlassen und in einem Schwarzwaldtal Einsiedler werden. So preist Sebastian Brant das Glück des Mönchsdaseins. Und so würdigen wir auch das Überwältigtwerden Einzelner: die Konversionen des Frauenwirts Konrad Weber in der Neuen Vorstadt 1457 und der durch eine Predigt plötzlich miteinander ergriffenen sieben Dirnen an der Lys 1474; dann die berühmte Flucht des jungen Hieronymus Zscheckabürlin aus der Welt ins Kloster.

Vorgänge solcher Art lassen uns gewahr werden, welche Erschütterungen der Fülle dieses glänzenden und hochgestimmten Daseins beigegeben waren. Aber auch über sie hinaus noch sehen wir, beim letzten Blick auf die von Erlebnis Wahn und Ahnung aller Art aufs höchste erregte Stadt, viele Gestalten voll Unruhe und Sorge.

Nicht nur jene furchtbaren einzelnen Heimsuchungen bedrängen sie. Die Gewalt des Lebens überhaupt bringt in dem ungeheuern Reichtum seines Neuen und Großen Manchen zugleich eine beängstigende Last. Nachdenklicher als die mit dem Genusse jedes Tages neu Zufriedenen wissen sie sich abhängig

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 946. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/425&oldid=- (Version vom 4.8.2020)