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Es konnte aber auch geschehen, daß der zum Lesen untaugliche oder ungeneigte Inhaber die Pfründe behielt, aber so gut es gehen mochte, für Versehung der Lektur sorgte; oder er hatte zwar Namen und Auftrag eines Dozenten, kam dieser Pflicht aber nur lässig oder gar nicht nach, so daß er gemahnt werden mußte.

Von allen Seiten offenbaren sich uns so die Mängel dieses Inkorporationsverfahrens. Es entzog einen Vermögenswert und die auf diesen gegründete Existenz der eigentlichen Bestimmung, wies sie einem ganz anders gearteten Dienste zu. Es schuf dem Inhaber eine Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Körperschaften, und durch diese Vermengung von Interessen und Pflichten, die nichts miteinander zu tun hatten, brachte es nicht nur Ungleichheiten in jede der beiden Körperschaften, Universität und Kapitel, sondern führte auch die Inhaber in die Versuchung, entweder die eine Seite zu vernachlässigen oder die andere.

Jedenfalls war die Universität der stärker geschädigte Teil. Der auf Verlangen des Rates am 19. November 1485 von Papst Innocenz erlassene Befehl, daß die Pfründen zu St. Peter keinem andern übertragen werden dürfen, als einem an der Universität Tätigen, war ohne dauernde Wirkung geblieben. Der Rat griff daher nochmals ein und benützte die Anwesenheit des Legaten Raimund Peraudi in Basel zur Einführung eines neuen Verfahrens. Am 22. Juni 1504 verfügte Raimund nach Vorschlag des Rates, im Hinblick auf die Nachlässigkeit der Pfründeninhaber in Erfüllung ihrer Pflichten gegen die Universität, daß künftig jede dieser Pfründen jährlich einen Geldbetrag, eine pensio, für Besoldung der Professoren zu leisten habe; dieser Betrag wurde für die zehn Pfründen zu St. Peter auf je zehn Gulden, für Sissach auf zwölf und für Rümlingen auf elf Gulden, für die Elendenkreuzkapelle auf zehn Gulden festgesetzt. Die Hauptsache wurde also nicht geändert, die Verbindung von Kirchen- und Universitätspflichten blieb nach wie vor bestehen. Aber der Unklarheit des Zustandes gegenüber, daß nicht alle Dozenten Pfründeninhaber und nicht alle Pfründeninhaber Dozenten waren, schuf die Verfügung Raimunds die Gleichartigkeit und Einheitlichkeit der Belastung aller Pfründen für die Universität. Es war, wenn auch in befremdlich starker Reduktion und in Ersetzung geistiger und persönlicher Leistungen durch finanzielle, eine präzise Ausführung des den Abtretungen von 1463 und 1490 zugrunde liegenden Gedankens. In welcher Art die bei einzelnen Pfründeninhabern noch zu dieser Pensionszahlung tretende tatsächliche Versehung einer Lektur geordnet und vergütet wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich und blieb jedenfalls

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/44&oldid=- (Version vom 4.8.2020)