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auch sein Regiment über die Anstalt und seine Aufwendungen für sie. Das daneben der Kirche zustehende Recht und die kirchliche Autorität, ohne die kein Lehren und kein Übertragen der Lehrbefugnis auf Andere denkbar war, hatten ihre dauernde Vertretung im Kanzler.

Als solcher war vom Papste der jeweilige Bischof von Basel bezeichnet worden, was in Zeiten des Konfliktes zwischen Rat und Bischof allerdings zu Bedenken Anlaß gab. Aber tatsächlich sank die Bedeutung dieses Amtes rasch zum rein Formelhaften und Äußerlichen; in der Mitwirkung des Kanzlers bei der Präsentation auf Universitätspfründen, bei den Lizenzerteilungen und Promotionen, beim Erlaß der Statuten usw. lag mehr zeremonielles als wirkliches und wirksames Leben.

Hienach ist das Wesen dieser Stadtuniversität zu verstehen. Sie war weder ausschließlich kirchliche noch ausschließlich weltliche Institution, sondern aus dem Zusammenwirken beider Obrigkeiten erwachsen. Ein selbständiges Geschöpf, eine Korporation und Lehranstalt eigener Art. Gegen ihre Zugehörigkeit zum Gebiete der Kirche spricht, daß sie außerhalb der kirchlichen Gerichtsbarkeit stand. Das Kirchliche in ihren Formen und Ordnungen aber war entweder natürliche Folge der Tatsachen — so die Forderungen des geistlichen Standes und der Ehelosigkeit für die Lehrer der Theologie und der niedern Weihen für Alle, die in der theologischen Fakultät einen Grad erwerben wollten, — oder es floß aus den allgemeinen Anschauungen der Zeit vom Verhältnis der Wissenschaften zur Kirche — so das Erfordernis des geistlichen Standes und der Ehelosigkeit für den Rektor. Demgemäß wurde auch wiederholt erklärt, daß die Universität errichtet werde zur Ehre Gottes, zur Ausbreitung der orthodoxen Lehre, zur Förderung der Seligkeit; gleichzeitig aber äußerten die Städter die Absicht, durch diese Universität nicht nur gute Prediger und Beichtväter zu erzielen, sondern auch vernünftige Lehrer, weise Juristen und geschickte Aerzte.


Die Universitätsgründung stand mitten im Strome der großen kirchlichen Regenerationsbestrebungen, und mit gleicher Kraft wirkten auf sie wissenschaftliche Interessen, weltlichpolitische und wirtschaftliche Absichten.

Kirche und Stadt schufen dabei eine Schule, die von hoher und umfassender Bedeutung war. Sie trug reichere Bildung auch in weite profane Kreise und öffnete Wege zu einer bisher unerhörten Säkularisation der Kultur. Indem die Wissenschaft nach dem Worte des großen Stifters der Universität den Gebildeten hoch über den Ungebildeten emporhob, ja Gott ähnlich machte, entstand eine gesellschaftliche Schicht von stärkster Eigenart.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/51&oldid=- (Version vom 4.8.2020)