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fassende Erscheinung. Da das Größte meist unausgesprochen und unbezeugt bleibt, kann jeder Versuch der Darstellung nur unvollkommen sein. Es ist ein Zustand und ein Leben, bei dem die stärksten Kräfte zusammenwirken: Universität Buchdruck Scholastik und Humanismus, kirchliche Regeneration. Dies Alles aber wird getragen und erregt durch politische Größe, Glanz des Lebens, künstlerische Tätigkeit, durch Forderungen einer rasch erstarkenden Bildung auch der profanen und ungelehrten Kreise, durch lokale Tradition und Einfluß der Ferne.


Als ehrwürdige Gestalt, noch halb im Dämmer der frühern Zeit stehend, erhebt sich Peter von Andlau. Von der ungewöhnlichen Bedeutung dieses früh und vereinzelt tätigen Mannes ist schon die Rede gewesen.

Nach Studien in Heidelberg und Pavia lebte er in Basel als Domkaplan seit 1444 und als Ordinarius des kanonischen Rechtes seit 1460 bis zu seinem Tode 1480. Im Kreise des Domklerus war er ausgezeichnet als einer der vier assisii; nach der Wahl Johanns von Venningen zum Bischof wurde er mit Kaplan Knebel nach Rom gesandt, um die päpstliche Provision für Venningen zu erwirken und wegen der Servitienzahlung mit der apostolischen Kammer zu unterhandeln. Auch an der Universität ehrte man ihn wiederholt durch Abordnung zu wichtigen Geschäften; seine juristischen Vorlesungen sind z. T. in sorgfältigen Nachschriften Jakob Laubers erhalten. Aber um der Person Andlaus gerecht zu werden, vergesse man sein Assisiat am Münster, seine Propsteiwürde zu Lautenbach, ja selbst seine Lektur, und beachte das für sein Andenken Entscheidende: die ernste Festigkeit und den Reichtum an geistigen Interessen. Merkwürdig oft treffen wir diesen rechtsgelehrten Kaplan als Parteivertreter oder als Schiedsrichter bei Rechtshändeln namentlich geistlicher Korporationen; auch einzelne Domherren bedienen sich seiner für ihre Geschäfte; er hat gelegentlich den Offizial zu ersehen und tritt wiederholt vor dessen Schranken als Advokat auf. Neben dieser Praxis sodann sein großes Buch von der kaiserlichen Monarchie, die erste wissenschaftliche Darstellung des deutschen Staatsrechtes; eigenartig bedeutsam auch, als Werk eines Adligen, durch die sehr lebendigen und freien Ansichten von der Bedeutung dieses Standes. Ueber all dies hinaus aber fesselt uns noch die persönliche Art des Mannes, der schon in der Begeisterung seiner Studentenjahre sich den Cicero und den Terenz abschreibt und dann lebenslang neben der Jurisprudenz „den lieblichen Rhythmen der Musen“ zu lauschen liebt; der schon ein Jahrzehnt vor der Gründung der Universität ein praeceptor arcium ist und juristische Disputationen leitet;

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 574. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/53&oldid=- (Version vom 4.8.2020)