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ordentlichen Rechtsprechung der Ungelehrten zu entgehen, und die Juristen hatten freie Bahn. Ihre Meinung war vielleicht nicht einmal, fremdes Recht zu gebrauchen; sie glaubten das allgemeine Weltrecht, das in erster Linie maßgebende Recht gegenüber einem mißbräuchlichen Lokalrechte zur Geltung zu bringen.

Hier ist nun der Universität zu gedenken, an deren Gründung ja Männer gerade dieses Kreises, Beinheim und Andlau, beteiligt gewesen waren. In der Tat ist es eine der hohen Auszeichnungen der Basler Universität, sofort von ihrem ersten Semester an für das Studium des römischen Rechtes gesorgt zu haben. Während in Freiburg und in Tübingen Kaiser Friedrich die ausdrückliche Erlaubnis zum Lehren des römischen Rechtes gab, handelte Basel von sich aus und ohne Kaiser.

Auf merkwürdige Weise berührten sich hiebei praktisch-staatliche und humanistische Tendenzen. Die römische Rechtsweisheit war ein vom Altertum überlieferter Schatz so gut wie die Dichtung des Ovid; wenn auch die Wissenschaft dieser Legisten selbst wenig Humanistisches in ihrer äußern Art hatte, so bestand doch der Gedanke an den gemeinsamen Ursprung. Beide Studien hatten ihre Heimat in Italien, und die dem jungen Juristen und künftigen Staatsmann unentbehrliche Kunst der Rede war auf keine Weise besser zu gewinnen als im Studium der Alten oder der modernen wälschen Stilisten. Eine rhetorische Anleitung und Mustersammlung solcher Art besaß z. B. Hieronymus Zscheckabürlin zusammen in einem Bande mit dem Donat und dem Doktrinale des Alexander. Daher nennen auch die Akten der Basler Universitätsgründung das „kaiserliche Recht“ und die „Poesie“ als gleichgeartete Zufügungen zum alten Pensum, und einzelne Dozenten lehrten tatsächlich Beides.

So traten seit 1460 neben die Lektionen der päpstlichen alten und neuen Rechte diejenigen des kaiserlichen Rechts. Mit zwei Ordinarien, also in der Minderzahl. Aber von den Inhabern dieser Lehrstühle und den neben ihnen in außerordentlicher Weise das römische Recht Dozierenden ging jener Impuls einer ungewöhnlichen Kraft und Lebendigkeit und einer stolzen Gesinnung aus, der die Anfänge des juristischen Studiums in Basel begleitet. Es ist bezeichnend, daß wir es hiebei fast ausschließlich mit Italiänern zu tun haben.

Vereinzelt suchte sich der Rat Legisten d. h. Lehrer des römischen Rechts auch anderwärts zu gewinnen. So den Raymund in Dôle, den Erpel. Aber das waren Ausnahmen, und die besten Kräfte bot der Süden.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/58&oldid=- (Version vom 4.8.2020)