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Da die Artistenfakultät nicht für das Studium der Philosophie allein bestand, sondern auch Vorstufe der übrigen Fakultäten war, so wird ihr Bild von selbst zu einem Bilde dieses wissenschaftlichen Lebens überhaupt. Unaufhörlich begegnet uns ein Vereinigtsein verschiedener Tätigkeiten und Auszeichnungen: die Philologen Reuchlin und Gengenbach waren auch Juristen, den Juristen Brant hinwieder nennt Tritheim unter den kirchlichen Schriftstellern, der „Poet“ Luder hielt medizinische Vorlesungen und wirkte als Stadtarzt. Von wie mannigfaltiger Bildung waren Heynlin Surgant Amerbach u. A.!

Eine Fülle liegt da, die vor jedem Greifen und Gestalten zurückzuweichen scheint. Was in Basel während einer hochbewegten Zeit Gelehrsamkeit, literarische Kultur, geistiges Leben heißt, ist das Verlangen und Vollbringen von Zahllosen. In allen möglichen Erscheinungen, meist nur durch die Namen oder die Titel von Magister und Doktor festgehalten, regt sich diese Menge der irgendwie Studierten; die eigentümliche, die gewaltige Wirkung dieses Wesens aber beruht darauf, daß in seinen Bewegungen und seinen Personen vielfach ganz universale Mächte uns nahe kommen.

Es gehörte zur Art der Universität, daß sie die offizielle und zugleich die große und vielumfassende Stätte war, an der solches Leben sich sammeln und seine Kräfte stets erneuern konnte; aber auch, daß sie trotz dieser Funktion keineswegs ausschließlich wirkte. Ihre Formen waren weit genug, ihr ganzes Dasein stark genug, um die verschiedensten wissenschaftlichen Richtungen entweder in sich aufzunehmen oder neben sich bestehen zu lassen.

Zwei große Gruppen bildeten die Basler Gelehrtenrepublik: die Genossen der Universität und die außerhalb dieses Verbandes Stehenden. Den interessanteren Figuren begegnete man wohl unter den Männern der zweiten Gruppe, die, dem Zwange der Universität und des Professorenverkehrs aus dem Wege gehend, zuweilen auch mit dem Verzicht auf äußere Ehren und Vorteile, das Glück völlig freier wissenschaftlicher Arbeit genossen.

Der größte Vertreter dieser Gattung in Basel war Erasmus. Aber schon fünfzig Jahre früher lebte hier Andronikos Kontoblakas und erteilte als akademisch unverpflichteter Lehrer den ersten Unterricht im Griechischen. In gleicher Weise war neben ihm der berühmte Wessel Gansfort tätig; auch er war ein Kenner des Griechischen und außerdem, was noch größere Auszeichnung war, des Hebräischen. Nach den Aufregungen der wissenschaftlichen Kämpfe in Paris und vor der Rückkehr in seine friesische Heimat ruhte er hier, den Zauber dieser unvergleichlichen Jahre genießend, in denen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/65&oldid=- (Version vom 4.8.2020)