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Die in solcher Weise, mit Vereinigung alter und neuer Lehrart, gestaltete philologische Professur wurde durch Gengenbach mehr als ein Jahrzehnt lang versehen. Auch nachdem er 1480 in die juristische Fakultät übergetreten war. Er hatte damals den Ruhm sowohl des subtilsten Auslegers kanonischen Rechtes als des gelehrtesten Ordinarius der „göttlichen Poesie“.

Aber auch daran ist zu erinnern, daß während einiger Zeit der junge Reuchlin ebenfalls über die Klassiker las; wir hören von einem Konflikte der Beiden wegen einer durch sie zugleich angekündigten Virgilvorlesung.

Nach Gengenbachs Tod 1486 erscheint Jacob Carpentarius als Lehrer der Poesie. 1492 wurde diese Professur dem Diebold Westhofer gegeben, der sich dazu verpflichtete, sie zunächst, bis er selbst hinreichend geschickt sei, durch einen guten Stellvertreter versehen zu lassen.

Aber wir vernehmen nichts von Westhofers oder seines Ersatzmannes Dozieren. Vielleicht deuten die Fakultätsbeschlüsse von 1492 und 1495, wonach in den Bursen nur über Themata der Logik und Grammatik, nicht über solche der Poesie disputiert werden sollte, auf eine tatsächliche Unterbrechung der poetischen Lekturen. Jedenfalls erteilte der Rat am 5. August 1496 aufs neue einen solchen Lehrauftrag, und zwar an Sebastian Brant, der schon vorher außerordentlicherweise Vorlesungen über Poesie gehalten hatte.


Im Basler Humanismus des XV. Jahrhunderts zeigen sich uns das Leben und die Arbeit eines großen, in seinen Grenzen nicht immer sicher bestimmbaren Kreises von Männern. Als Gelehrte Dozenten Schriftsteller Buchdrucker, in Berufsstellungen oder in freien Tätigkeiten, zeitlich nahe zusammengerückt, gaben sie dem damaligen Geistesleben Basels ihr Gepräge. Von den Meisten ist uns wenig Individuelles bekannt. Aber eine Vereinigung ihrer Namen gibt uns wenigstens eine Ahnung dieser hier wirkenden mannigfaltigen Kraft. Den Ratsgewaltigen, den Stuben, den Kaufleuten- und Zunftgruppen, den Scholastikern alter Observanz, dem hohen und niedern Kirchenvolke begegnet hier eine andersgeartete Gesellschaft: Peter von Andlau, Jacob Philippi, Johann Siber, Ulrich Surgant, Johann Reuchlin, Johann Heynlin, Sebastian Brant, Johann Amerbach, Johann Bergman; die Domherren Adelberg von Rotberg, Arnold Truchseß, Hartman von Eptingen, Bernhard Oeglin, Hieronymus von Weiblingen; die italiänischen Juristen; weiter Wilhelm Textoris, Michael Wildeck, Erhard Windsberg, Jacob Hugonis, Peter Luder, Johann Mathias von Gengenbach, Franz Wiler usw.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/76&oldid=- (Version vom 4.8.2020)