Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/78

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Humanisten wurde, sowie an der Einführung der Buchdruckerkunst in Paris sich unmittelbar und initiativ beteiligte.

Aber das Jahr 1474 gab die grosse Wendung. Heynlin verließ die glänzendste Stätte der Wissenschaft, das kräftigste geistige Leben und wurde Prediger in Basel. Der Ekel am Gelehrtenhader, das Streben nach einer höheren Wirksamkeit, die Liebe zu Christo trieben ihn. In Paris hatte Heynlin Schüler gehabt wie Agricola und Reuchlin, und den Letztern, den Wessel Gansfort, den Erhard Windsberg, brachte er mit sich nach Basel, wohin er auch den Johann Amerbach zog. In welchem Ansehen, mit welchen Erfahrungen kam er selbst! Reifer als Alle, die er hier vorfand. Aber er ging nicht zur Universität, sondern zur Kirche, und wurde bei dieser nicht Chorherr, sondern Pfarrer und vor allem Prediger. Eine reine geistige Wirkung erstrebte er. Seine erste Predigt hielt er am Adventssonntag 27. November 1474 auf der Kanzel seines Schülers Surgant zu St. Theodor.

Von jetzt an finden wir den großen Gelehrten in unermüdlicher Predigertätigkeit. In Basel (St. Leonhard) selbst und in dessen Umgebung; in Bern 1476 und 1480, in Baden-Baden 1479/80 und 1480–1484, in Tübingen Urach usw. Die höchste Tätigkeit dieser Art ward ihm zuletzt an der berühmten Predikatur des Basler Domes 1484–1487.

Aber auch die treueste Hingebung an diesen Beruf absorbierte nicht die reichen Kräfte und Interessen dieses Mannes. Gerade jetzt, in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens, wurde er zum „Gipfel aller guten Kunst“, zum Führer des gelehrten Treibens in der oberrheinischen Universitätsstadt. Nicht als Angehöriger der Universität selbst. Nur zwischen hinein und ausnahmsweise, im Jahre 1477, hielt er hier Vorlesungen, wohl an Stelle des zum heiligen Grabe wallfahrenden Textoris, den er auch auf der Münsterkanzel vertrat. Um so einflußreicher in solcher Freiheit der Stellung war Heynlin Mittelpunkt des Basler Gelehrtenkreises, Editor großer Quellenwerke und Berater der Buchdrucker, vor allem Amerbachs.

Mit aller Kraft des Lebens tritt uns dabei entgegen, wie der älter werdende Heynlin kirchliche und weltliche Literatur, Christentum und Gelehrsamkeit gegeneinander abwägt. Immer mächtiger regt sich das Verlangen nach dem Ernsten, dem Kirchlichen. Diese Gesinnung wird in den Büchern Heynlins zum erregten Eifern wider die „weltlichen“ Humanisten, wider die unnütze Altertumsforschung, wider die Beschäftigung mit verderblichen Autoren, und auf der Kanzel zur herben Bußpredigt, zur gewaltigen Mahnung an die Obrigkeit, ihre Pflicht zu tun. So ist es nicht wieder Wendung des Lebens, sondern eine fast notwendige Entwickelung, wenn Heynlin noch einen Schritt

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/78&oldid=- (Version vom 4.8.2020)