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Onofrius, den Bruno, den Apollinaris usw., vor Allen die Himmelskönigin, die keuscheste aller Mütter, die Süßigkeit des Lebens und unser Aller Hoffnung.

Hinter diesem Dichten aber füllt ernst und mühevoll eine unausgesetzte Berufsarbeit die Jahre Brants. Er ist Lehrer bei den Juristen und den Artisten; 1487 sitzt Jacob Locher unter seinen Zuhörern. Vor dem bischöflichen Gericht und vor dem städtischen Schultheißengericht tritt er als Advokat von Parteien auf. Das seit 1490 in Basel bestehende Gericht des badischen Markgrafen (für Klagen von Baslern gegen Markgräfler um Handschulden) wird durch ihn präsidiert.

Das ist Brant der Gelehrte, der Geschäftsmann, der Rechts- und Menschenkundige, und auf dieser Höhe des Lebens, ganz reif und kühl, schafft er nun das Werk, das seinen Namen bis heute hochhält: das Narrenschiff. Kein Werk reiner Dichtung. Der Professor und der Richter stehen hinter dem Poeten und schauen ihm beständig über die Schulter. Aber in seiner Sicherheit und Ruhe der Beobachtung, in der Weite und Fülle seines Gegenstandes, in seinem Spotten dem alle Schwäche und Schlechtigkeit nichts ist als Torheit, wirkt das Buch, so steif und dürre die Form auch sein mag, mit unwiderstehlicher Lebensfrische; es hat die Bedeutung eines wichtigen Zeitdokumentes, aber nicht im Sinn einer allgemeinen Moralisation; es ist geschaut und gefunden mitten im individuellen Leben einer großen kräftigen Stadt.

In den Jahren dieser von aller Welt mit Jubel begrüßten Schöpfung wird uns Brants Bild auch sonst immer deutlicher. Seine Anstellung durch den Rat als Dozent des römischen Rechtes an Durlachs Stelle, gleichzeitig mit der Erteilung eines eigentlichen Lehrauftrages für das schon bisher von ihm versehene Fach der Poesie 1496; die Veröffentlichung seines Lehrbuches zum Corpus juris civilis und den Dekretalen 1490; seine Edition Petrarcas 1496, Hemmerlins und Lupolds von Bebenburg 1497, der Konzilsdekrete 1499, zeigen die Vielheit seiner Interessen: Humanismus, römisches Recht und Kirchenreform, dazu seine deutschnationale Gesinnung.

Der Mann, der später Deutschland beschreibt und eine Sammlung oberrheinischer Geschichtsquellen plant, widmet dem Andenken der Roswitha seine Distichen. Er feiert die Hoheit des Kaisers in zahlreichen Gedichten und erwartet gleich Peter von Andlau vom römischen Rechte die Kräftigung der kaiserlichen Macht als der höchsten Rechtsautorität. Wie 1498 im nahen Freiburg der deutsche Reichstag sitzt, kommen Heinrich von Bünau

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 601. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/80&oldid=- (Version vom 4.8.2020)