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und Hans von Hermansgrün herauf nach Basel, um hier den berühmten Meister, den treuen Herold des Reiches, zu begrüßen.

Wichtig ist die Wirkung dieser Dinge auf Brants Leben. Dicht um ihn sehen wir die Erregung der Zeit, die wilden Parteikämpfe in Rat und Bürgerschaft, die immer lauter werdende Opposition gegen das Reich. Brant, der Verherrlicher des Kaisers, der Editor des großen Eidgenossenfeindes Hemmerlin, macht jedenfalls unruhige Tage durch. Er erlebt den Krieg und den Friedensschluß; er sieht die prächtige Stadt, über ein Vierteljahrhundert hin seine Heimat, ihrem Verhängnisse, der Lösung vom Reiche, zueilen. Wie beneidet er den Reuchlin um sein ruhiges, den Studien gewidmetes Leben! Da zu guter Stunde kommt aus Straßburg der Ruf ans Amt des Syndikus; er nimmt ihn an und verläßt Basel im Frühjahr 1501.


Daß eine zusammenfassende Charakteristik dieser alten Basler Humanistengesellschaft unmöglich ist, muß nochmals betont werden. Der Humanismus hatte im Ganzen wie in der einzelnen Person seine Entwickelung durchzumachen bis zur schließlich fertigen Form eines durch das Altertum und das noch unmittelbarer wirkende moderne Italien bestimmten Wissenschafts- und Lebensgefühles. Wie er sich dabei seine Jünger nur allmählich zu erziehen und dienstbar zu machen vermochte, zeigt sich in Allem: in der Ausdehnung der gelehrten Interessen, in der philologischen Fertigkeit, in der Kultur des Stils und des Wortes, in der Selbstbewußtheit und Angriffslust des Verkehres, namentlich aber im Verhältnis zur Kirche. Es ist bezeichnend, daß die Meisten der Humanisten, mit denen wir es hier zu tun haben, sich auf die Seite des Realismus stellten, auf den alten Weg, der dem die Rationalität des Dogma und die kirchlichen Sätze bestreitenden neuen Nominalismus gegenüber die Sammelstelle von Anhängern der römischen Autorität und eines religiösen Charakters der Theologie war. So hat das Bild der ganzen Gruppe etwas Schwankendes. Aber gerade dies ist Leben und Wahrheit. Wir sehen auf der Bahn einer großen geistigen Bewegung die Ersten vor uns, die noch nicht sicher schreiten, die noch erstarken müssen; aber auch Andere, besonnene nachdenkliche Naturen, für die bei allem äußern Bekennen der Antike ein geistiges Epikuräertum vor dem Ernste religiöser Fragen und Forderungen doch nicht Stand hält. Soviel Individuen, soviel Nuancen oder Entwickelungsstufen. Daß Einzelne über Hemmungen nicht hinwegkamen und gleichzeitig Andere schon jetzt innerlich frei sein konnten, zeigt das nahe Nebeneinanderstehen von

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 602. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/81&oldid=- (Version vom 4.8.2020)