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nicht gedruckt verbreitet; erst nach zehn Jahren, beim Crainensishandel und beim Spitalablaß, zog auch der Rat die Buchdruckerei zu Hilfe. Doch ergingen seine Rufe an das Volk nach wie vor, und der Mandatendruck begann vereinzelt nicht vor den 1490er Jahren, häufiger erst dreißig Jahre später.

Zu diesem Allem aber gesellt sich die Bedeutung der neuen Kunst für die Wissenschaft, für das geistige Verlangen und die persönliche Schriftstellerei. Wir haben es hiebei mit Wirkungen der größten Art zu tun. Wenn man auch in den Klöstern trotz den Pressen weiterschrieb, um die Leute zu beschäftigen, und wenn es noch immer Liebhaber gab, die das vornehme Einzelprodukt der Schreib- und Malschule einem vervielfältigten Exemplar vorzogen, so trat der Druck doch überall da an die Stelle der Schreibmühsal, wo rasch und für Viele gearbeitet werden sollte. Eine erregende Kraft ohne Grenzen machte sich spürbar. Sie trieb zur Produktion, sie antwortete vorhandenen Bedürfnissen und erweckte neue. Den Autoren gab der Buchdruck einen neuen Maßstab, ein neues Bewußtsein und Machtgefühl. Jetzt wurden die Bücher ein Element des Lebens. Und zur frischen Produktion trat das Öffnen eines unermeßlichen Schatzes aus alter Zeit. Neben dem kirchlichen Regenerator, dem Prediger, dem Dichter und Erzähler, dem Lehrer, dem Verfasser des Flugblattes und Pamphletes wirkte auf Tausende der Editor der Bibel und der Kirchenväter, der Rechtsbücher, der ehrwürdigen Geschichtswerke, der ersehnten Klassiker.

Den Druckern selbst dürfen wir Vieles zutrauen. Manchem eine hohe Auffassung seines Berufes mit bestimmten Absichten religiöser Art, Manchem eine gelehrte Bildung und ein wissenschaftliches Urteil. Viele unter ihnen hatten Universitätsstudien gemacht; Amerbach korrespondierte gelegentlich lateinisch mit Koberger und mit Reuchlin.

Dabei führten selbstverständlich Geschäftsinteressen zur Berücksichtigung der nicht so rasch zu lenkenden allgemeinen Stimmung der Zeit. Die Scholastik war deswegen in den Basler Publikationen der ersten Jahrzehnte stärker vertreten als die antike und die speziell humanistische Literatur. Aber der Zustand änderte sich allmählich, und schon von Anbeginn haben wir mit einem ungeduldigen Antriebe der Humanisten zu rechnen.

Aus solchem Antrieb und aus der Erkenntnis, daß die typographische Kunst das bildsamste und wirksamste Geräte zum Dienste des neuen Geistes darbiete, erwuchs nun das Verhältnis, das uns in Hunderten von Werken und Briefen entgegentritt, voll Leben und Geist, voll persönlicher Art, ganz momentan und intim, ein Zusammenarbeiten des Autors und Editors mit dem Drucker.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 609. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/88&oldid=- (Version vom 4.8.2020)