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Die Kämpfe um eine neue Verfassung und der Pensionensturm führten zum Sturze früherer Machthaber; auch die wirtschaftliche Reform trug dazu bei, die alte Vornehmheit zu kränken und zu schwächen; am stärksten wirkte dann noch die reformatorische Neuerung, nicht als Feindin der Kunst, sondern weil sie ihrer nicht bedurfte. Es waren einzelne Bewegungen, in denen allen eine der Zeit überhaupt eigene Tendenz mächtig war.

Der Kunstsinn als solcher starb nicht, aber sein Gebiet wurde enger. Die Gelegenheiten für künstlerisches Wirken nahmen ab. Für die kirchlichen Stiftungen, die einst zahllose Kunstwerke jeder Art ans Licht gerufen, gab es keinen Anlaß mehr und keine Lust, und im Profanen war der Übermut glänzender Aufwendung großenteils dahin. Die Stimmung, die aus dem Leben ein Fest zu machen vermochte, hatte nicht mehr den freien Raum um sich wie ehedem. Die Zeit richtete sich auf Durchschnittlichkeit ein; sie wurde nüchtern sorglich verdrossen.

Schon der Chronist dieser Jahre stellte fest, daß die neue Gesinnung den Künsten nachteilig sei. Auch Erasmus hatte diesen Eindruck; hic frigent artes, schrieb er im Jahre 1526. Die Künstler selbst, namentlich die Maler, führten Klage beim Rate: es stehe schlecht um ihre Hantierung; schon eine Reihe von Meistern hätten keine Arbeit mehr, und bei den Andern werde dies bald auch geschehen.


Indem solchermaßen das Kunstwesen beinahe nur in allgemeinen Äußerungen sich uns mitteilt, macht inmitten dieses Zustandes um so gewaltigeren Eindruck die Gestalt Hans Holbeins.

Alle die Meldungen über Hauskäufe Heiraten Händel usw., deren Menge bei den damaligen Basler Künstlern das Wissen vom Wesentlichen durch ein Wissen vom Nebensächlichen ersetzt, fehlen für Holbein völlig, so daß sein äußeres Leben ein Geheimnis bleibt. Er ist auch, soweit wir sehen, ohne tiefer wirkende Berührung mit den Ereignissen geblieben, die damals Basel erschütterten. Aber mit Wucht und Sichtbarkeit lebt er für uns in seinen Schöpfungen.

Auch in der Entwickelung Holbeins bildete das Jahr 1521 Epoche. Die in diesem und dem folgenden Jahr ausgeführte Historienmalerei im Ratssaale gab seinem Stil die entscheidende Wendung und führte sein Können zur Höhe. Sie machte ihn seiner Kraft und seiner Kunstmittel bewußt; „innerlich war Holbein im Grunde jetzt schon fertig, er hatte sein Ziel gefunden.“ Aus dieser Meisterschaft des großen Künstlers entstanden jetzt die paar Gemälde, die jedenfalls nur Trümmer des damaligen Holbeinwerkes sind, aber

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/482&oldid=- (Version vom 1.8.2018)