William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII. | |
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an dir; denn wenn es an einem falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff oder auch oft bloß ein angewöhntes Wesen ist, das nichts zu bedeuten hat; so ist es hingegen an einem rechtschaffnen Mann ein Zeichen, daß er sich Mühe giebt etwas in seinem Herzen zurück zu halten, dessen Entdekung schlimme Folgen habe könnte.
Jago.
Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwören, daß ich ihn für einen ehrlichen Mann halte.
Othello.
Dafür halt’ ich ihn auch.
Jago.
Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind, von denen wäre zu wünschen, daß sie auch so aussähen, wie Schelmen.
Othello.
Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen.
Jago.
Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann.
Othello.
Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir, wie mit deiner eignen Seele, und gieb deinem ärgsten Gedanken auch den ärgsten Ausdruk.
William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/279&oldid=- (Version vom 1.8.2018)