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William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.

Aemilia.

Wie, das Unrecht ist nur ein Unrecht in der Welt; und da ihr die Welt für eure Mühe bekämet, so wär’ es ein Unrecht in eurer Welt, und ihr könntet es bald recht machen.

Desdemona.

Ich kan nicht glauben, daß es ein solches Weib giebt.

Aemilia.

O Ja, wohl ein duzend und so viele oben drein, daß sie die Welt, um die sie spielten, bevölkern könnten. Allein, ich denke, der Fehler ligt an den Männern, wenn ihre Weiber fallen; gesezt, sie vergessen ihre Pflichten gegen uns, und verschwenden an andre, was uns gehört; oder sie brechen in eine verdrießliche Eifersucht aus, und belegen uns mit sclavischem Zwang; oder sie schlagen uns, oder sie bringen uns unser Vermögen durch; wahrhaftig, wir haben auch Galle, und so sanft wir sind, so rächen wir uns doch gerne, wenn wir beleidigt werden. Unsre Herren Männer sollen wissen, daß ihre Weiber so gut Empfindlichkeit haben als sie; sie sehen, und riechen, und haben einen Geschmak für süß und sauer, so gut wie ihre Männer. Was thun sie, wenn sie uns mit andern vertauschen? Ist es Spaß? Ich will es glauben: Geschieht es aus Leidenschaft? Ich will es glauben: Ist es eine menschliche Schwachheit? es mag auch seyn. Und haben wir nicht auch Leidenschaften? Lieben wir den Zeitvertreib nicht auch? Sind

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William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/362&oldid=- (Version vom 1.8.2018)