William Shakespeare: Was ihr wollt. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII. | |
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Viola.
Orsino? Ich erinnre mich, daß ich von meinem Vater
ihn nennen hörte; er war damals noch unvermählt.
Capitain.
Er ist’s auch noch, oder war’s doch vor kurzem; denn
es ist nicht über einen Monat, daß ich von her abreisete,
und damals murmelte man nur einander in die Ohren, (ihr
wißt, wie gerne die Kleinern von dem, was die Grossen
thun, schwazen,) daß er sich um die Liebe der schönen
Olivia bewerbe.
Viola.
Wer ist diese Olivia?
Capitain.
Eine junge Dame von grossen Eigenschaften, die Tochter
eines Grafen, der vor ungefehr einem Jahr starb, und
sie unter dem Schuz seines Sohns, ihres Bruders, hinterließ;
aber auch diesen hat sie erst kürzlich durch den Tod
verlohren; und man sagt, sie sey so betrübt darüber, daß
sie die Gesellschaft, ja so gar den blossen Anblik der Menschen
verschworen habe.
Viola.
Wenn ich nur ein Mittel wißte, in die Dienste dieser
Dame zu kommen, ohne eher in der Welt für das was
ich bin bekannt zu werden, als ich es selbst meinen Absichten
vorträglich finden werde.
William Shakespeare: Was ihr wollt. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/412&oldid=- (Version vom 1.8.2018)