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tragen kann. Man darf es nicht, weil man sich ihrer damit selbst teilhaftig machen würde durch mangelnden Ernst, oder wenn man etwa nicht mit vollem Ernst straft. Obwohl man mit dem Sünder Geduld haben soll, dürfen wir nie Geduld haben mit der Sünde selber. Etwas Großes ist die tragende Geduld und Langmut, aber noch größer erweist sie sich, wenn sie nicht nur Anderer Last trägt, sondern auch arbeitet an der Besserung. Der Liebesratschluß Gottes ist auch alsbald wirksam geworden, ob er gleich nicht alsbald sich vollzog. Wir sehen weiter, wie

 II. Gottes erziehende Liebe sich beweist in der Bewahrung und Zurüstung der Menschheit für das Heil.

 Wir haben zunächst ins Auge zu fassen die Erhaltung wie der Welt, so des Menschen. Der Mensch stand unter dem Urteil des Todes; er konnte demselben anheimfallen ganz und völlig. Und nachdem die Welt des Menschen wegen geschaffen war, konnte Gott überhaupt feinen Odem wieder zurückziehen, wie es im Psalm einmal heißt; dann hätte alles in Staub zerfallen müssen. Aber Gott hat auch die sündig gewordene Welt erhalten und erhält sie. Obwohl man von außen her gesehen denken könnte, die Welt erhalte sich selbst durch die ihr innewohnende Naturkraft, so erkennt doch jeder Christ, daß Gott es ist, der sie tatsächlich erhält; denn er hat diese Kräfte in sie gelegt und er erhält sie fortwährend durch seine göttliche Macht, in der alles besteht und von der alle Kraft herkommt. Und er erhält auch uns, die Menschen. Auch wir erhalten uns nicht selbst, obwohl wir die uns zur Erhaltung des Lebens geschenkten Kräfte fleißig gebrauchen sollen in der Arbeit; Gott ist es, der auch uns erhält. Er hat diese Kräfte der Erhaltung in uns gelegt und erhält sie aufrecht. Er erhält uns die Gesundheit, durch die wir in der Lage sind, die uns zur Erhaltung des Lebens geschenkten Kräfte zu gebrauchen und anzuwenden. Und er muß zu aller menschlichen Arbeit seinen Segen geben. Wir wiesen gestern schon hin auf den anbetenden Blick auf die göttliche Erbarmung, die in Luthers Auslegung des 1. Artikels in dem kleinen Wörtlein „und noch erhält“ sich uns eröffnet.

 Aber Gott erhält nun nicht nur die Welt und die Menschheit, sondern er regiert sie auch und führt sie dem von ihm gewollten Ziel entgegen, trotz allen sündigen Fehlens und Irrens. Wunderbar sind die Wege Gottes mit der Menschheit. Er hat die Menschheit erhalten wollen für das ihr verheißene und in Aussicht gestellte Heil; er wollte sie auch so weit halten, daß sie nicht ganz und gar versinke in die Gottlosigkeit. In der Urzeit hat er sich einen heiligen Samen erhalten in dem Geschlecht der Sethiten, die den andern, unter denen sie lebten, stete Warnung, stete Mahnung sein sollten.