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Altares nicht anders. Die besondere Vollmacht, Sünden zu vergeben und zu behalten, ist von Christus Seiner Kirche gegeben worden und wird durch das Amt des neuen Testaments verwaltet.

 Vor allem, Sünden zu vergeben. Solange der Herr Jesus selbst auf Erden wandelte, hat Er das Wort der Sündenvergebung gesprochen, wo Er sah, daß ein besonderes Verlangen darnach in der Seele lebte, wie beim Gichtbrüchigen und so besonders bei der großen Sünderin. Da Er nun nach Vollendung seines Werkes nicht auf Erden bleiben wollte und sollte, hat Er die Seinigen nicht ohne den gewissen Trost der Vergebung der Sünden lassen wollen und hat darum Seiner Gemeinde diese Vollmacht gegeben, in seinem Namen Sünden zu vergeben. Es handelt sich also bei dieser Gabe oder Stiftung des Herrn um dem gewissen Trost der Vergebung der Sünden. Nicht so darf es angesehen werden, wie die römische Kirche es auffaßt, daß die Sündenvergebung überhaupt für den Einzelnen an die priesterliche Absolution gebunden sei, sondern die Vergebung der Sünden wird fortwährend durchs Wort verkündet und den Einzelnen dargeboten: denn was ist die Evangelien-Predigt anders als die Botschaft von der Vergebung der Sünden. Die Vergebung der Sünden ist uns, wie wir gehört haben, in der Taufe schon ein für allemal geschenkt durch unsere Einpflanzung in die Gemeinschaft Jesu Christi. Die Vergebung der Sünden wird uns im heiligen Abendmahl verbürgt, aber in der Absolution handelt es sich um den gewissen Trost der Sündenvergebung für solche, die darnach verlangen.

 Allerdings hat der Herr nicht nur die Vollmacht, Sünden zu vergeben, sondern auch die Vollmacht Sünden zu behalten gegeben. Und in welchem Sinn Er das tut, das geht aus Matth. 18 deutlich hervor, wo der Herr sagt: „Sündiget dein Bruder.“ („an dir“ ist eine spätere Beifügung, die auch den Zusammenhang vollständig stört und sich daraus erklärt, daß die Worte damals nicht mehr verstanden wurden, weil man nicht mehr begriff, daß jeder Christ Recht und Pflicht haben soll, jedem Bruder jede begangene Sünde strafend vorzuhalten.) Also: „Sündiget dein Bruder, so strafe ihn zwischen dir und ihm allein, hört er dich nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir... wahrlich Ich sage euch, was Ihr auf Erden bindet, soll auch im Himmel gebunden sein.“ Es ist die Stelle wichtig schon deswegen, weil wir deutlich sehen, daß der Herr unter Binden und Lösen doch Vergeben und Behalten der Sünde und nichts anderes verstanden hat, nachdem manche Ausleger darunter verstehen wollen: Anordnungen geben und Verbote erlassen innerhalb der Gemeinde. So hat der Herr es nicht gemeint, da Er an das Wort anschließt: „Achte ihn für einen Heiden und Zöllner,“ d. h. nimm ihn nicht mehr für ein Glied meiner Gemeinde an. „Und was ihr binden werdet, soll im Himmel gebunden sein“, fährt Er fort. Der Herr hat die Vollmacht gegeben, Sünden zu behalten, weil er nicht wollte, daß Sünder öffentlich und ungestraft in seiner Gemeinde