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auf die Frage, ob man sich für den Beruf als passend erachten darf oder nicht. Auch für die Tätigkeit selber und für das Zusammenleben ist das so wichtig. Wenn jede Schwester ihre Grenze recht erkennt, dann kann sie andere viel ruhiger und friedlicher neben sich arbeiten lassen, auch den rechten Zeitpunkt erkennen, wo die Kraft nicht mehr zureicht für die Ausübung des Berufes. Also ist Selbsterkenntnis etwas Wichtiges. Das Haupthindernis des Selbsterkenntnis ist die Gleichgültigkeit, das allzu sichere Dahinleben, dann der Hochmut und die Einbildung, daß man nicht klein und gering sein will. Wie wird nun die Selbsterkenntnis erlangt? Nicht anders als durch Selbstprüfung, durch ernste Selbstprüfung und diese muß täglich vorgenommen werden. Insbesondere Schwestern sollen keinen Tag beschließen ohne sich zu prüfen und sich zu fragen, wie sie den Tag vollbracht haben, wie sie ihres Berufes warteten, ob sie die Fürbitte für die ihnen Anvertrauten wie für die Gesamtheit geübt haben. – Tägliche Selbstprüfung vor allem und dann Selbstprüfung bei besonderen Anlässen, wenn Trübsale und Leiden kommen. Nicht die törichte Frage stellen: Womit habe ich das verschuldet? Als ob wir nicht alles und noch viel mehr verdient hätten, wenn Gott mit uns rechten wollte. Sondern fragt: Was will mir Gott sagen, auf welchen Mangel meines inneren Lebens will Er mich hinweisen? Dann ebenso bei besonderen inneren Erfahrungen, wenn das Wort der Wahrheit die Gewissen trifft. Da gilt es sich zu prüfen, sich selber zu fragen, nicht auf andere zu sehen, sondern auf sich selber. Dann mag die Einsegnung und die Vorbereitungszeit auf dieselbe als ein besonderer Anlaß zur Selbstprüfung als Mahnung zur Selbsterkenntnis genannt werden. Es müssen in dieser wichtigen Zeit die Schwestern sich nochmals klar werden, ob das der Weg ist, den Gott sie führt und ob sie Gabe und Kraft in sich haben, diesen Weg zu beschreiten und dauernd demselben treu zu bleiben.

 Und ganz besonders ist die Beichte ein solch wichtiger Anlaß zur Selbstprüfung, wie gesagt, auch in ihrer unvollkommenen Gestalt. Es ist darum bedeutsam, wenn die Beichte am Tag vorher stattfindet, damit man noch besonders zur Selbstprüfung gemahnt und angeleitet werden kann. „Der Mensch prüfe sich selbst und also esse er von diesem Brote“ sagt das Wort Gottes. – Man soll sich prüfen nach dem Gesetz Gottes und da bleiben die 10 Gebote in ihrer festen klaren Bestimmtheit, wie in Stein gemeißelt, als das wichtigste Mittel der Selbstprüfung stehen. Nur hat man sie recht neutestamentlich evangelisch zu verstehen, nicht nach dem Buchstaben, sondern nach dem Geist. Auch ist zu bedenken, daß es Sünden gegen das Evangelium gibt. Es darf in Erinnerung gerufen werden, daß ein Gegenstand der Selbstprüfung stets sein muß, ob wir die große Gnade, die uns dadurch zuteil geworden ist, daß wir in unserer lutherischen Kirche, in diesem Berufe leben, auch allezeit uns zu nutz angewendet haben.

 Auch die allgemeine Beichte ist eine gute Anleitung zur Selbstprüfung.