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sein Dankgebet zu sprechen. Gott hat ihm durch Nathan gesagt, wohin ER ihn bisher gebracht; von der Weide, von der Heerde weg bis auf den Thron, und wie ER ihm einen Namen gemacht habe gleich dem Namen der Mächtigen auf Erden. All diese Wohlthaten Gottes überschaut nun David und sagt in dankbarem Rückblick: All das hast Du an mir gethan, und fährt dann fort: Und das hat Dich noch zu wenig gedäucht, sondern hast über das Haus Deines Knechts noch von fernem Zukünftigen geredet und hast mich angesehen nicht blos als einen König Deines Volks, sondern in Gestalt eines Nachkommen, eines Mannes aus der Höhe, der selber Deinen Namen „Gott“ tragen wird. Das ist etwas so Großes für David, daß er die Worte zum Dank nicht mehr findet und sich auf die Allwissenheit Dessen berufen muß, vor dem sein Innerstes offenbar ist. Die Worte Davids: Du hast mir gezeigt ein Menschenbild, welches herrlicher ist als Menschengestalt (oder wie sie sonst zu fassen sind – spectabilem super omnes homines hat die lateinische Übersetzung) sind für uns räthselhaft.[1] David hat mehr gewußt und gesagt als wir deuten können. Er sieht einen Mann aus der Höhe, der Gott gleich, Gott selber ist: das ist’s, was ihn so überwältigt. Nicht das vergangene, sondern das zukünftige Loos seines Hauses ist es, was ihn zum Gang ins Heiligthum und zum Dankpsalm begeistert hat.

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 Wer will da noch sagen, daß die alttestamentlichen Heiligen die Zukunft nicht gekannt haben, und daß das, was die Propheten begeistert hat, nichts anderes als national irdische Hoffnungen gewesen seien. Die wissen mehr als wir, die sehen in Zeiten, die auch uns noch verborgen sind, ans Ende


  1. Anm. des Her. Neuere Ausleger fassen die Worte: „HErr Gott“ als Vocativ (Anrede an Gott).
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Wilhelm Löhe: David und Salomo. C. Bertelsmann, Gütersloh 1895, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_David_und_Salomo.pdf/59&oldid=- (Version vom 11.9.2016)