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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Am sechsten Sonntage nach dem Erscheinungsfeste.

Col. 3, 18 – 4, 1.
18. Ihr Weiber, seid unterthan euren Männern in dem HErrn, wie sichs gebühret. 19. Ihr Männer, liebet eure Weiber, und seid nicht bitter gegen sie. 20. Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen; denn das ist dem HErrn gefällig. 21. Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, auf daß sie nicht scheu werden. 22. Ihr Knechte, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens und mit Gottesfurcht. 23. Alles, was ihr thut, das thut von Herzen, als dem HErrn, und nicht den Menschen. 24. Und wißet, daß ihr von dem HErrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem HErrn Christo. 25. Wer aber Unrecht thut, der wird empfangen, was er Unrecht gethan hat; und gilt kein Ansehen der Person, 1. Ihr Herren, was recht und gleich ist, das beweiset den Knechten, und wißet, daß ihr auch einen HErrn im Himmel habet.

 DIe Evangelien der Epiphaniensonntage haben uns so manche Herrlichkeit aus dem Leben unsers HErrn JEsus Christus aufgeschloßen; wir könnten den Gang durch sie hin bis zum heutigen sechsten Sonntag mit einem Gange vergleichen, der zum Gipfel eines Berges hinan führt; die letzte Abtheilung des Weges wird mit dem heutigen Evangelium vollendet und wir kommen mit demselben auf die höchste Höhe. Die Herrlichkeit des HErrn leuchtet uns hier in ungewohntem Maße entgegen, alle vorigen Evangelien der Epiphaniensonntage erscheinen wie Strahlen gegen das Meer des Lichtes, welches uns heute leuchtet, denn dies Evangelium handelt ja von der Verklärung Christi. Diesem evangelischen Glanze gegenüber stehen zwei Episteln, von denen man eine für den heutigen Tag auswählen kann. Die eine, aus dem zweiten Briefe Petri, 1, 16–21 genommen, scheint neben dem Evangelium wie der Vollmond in seiner Herrlichkeit, wenn er die Sonne, die in ihr Gluthmeer untergegangen ist, ablöst. Auch sie handelt von der Verklärung Christi auf dem heiligen Berge, wenigstens ihrem halben Theile nach, und wenn auch der andere Theil von dem prophetischen Worte handelt, so geschieht doch auch das in einer Weise, welche keineswegs die vom Glanze der Verklärung JEsu erhobene Seele herunterstimmt, sondern im Gegentheil ganz geeignet ist, uns in dem Siegsgefühle zu erhalten, das uns erfüllt, wenn wir unsern Erlöser in jener Herrlichkeit schauen, vor welcher die Welt so klein wird, in welcher Er selbst aber so groß steht. Die andere Epistel schließt sich eng an die des fünften Epiphaniensonntags an, ist aus dem Brief Pauli an die Colosser, 3, 18–4, 1 genommen und scheint neben das Evangelium von der Verklärung unsers HErrn gar nicht wohl gestellt werden zu können. Sie gibt Befehle über das gegenseitige Verhalten der Männer und Frauen, der Eltern und Kinder, der Herren und Sklaven, und man kann sich in diese Textwahl erst dann finden, wenn man sich auf’s neue vergegenwärtigt hat, was der Grundgedanke der Beiordnung und Auswahl unsrer epistolischen Texte zu den evangelischen ist. Neben der Glorie Christi erscheint immer die Glorie der Gemeinde. Hält man das fest, so erscheint allerdings auch diese zweite Epistel des sechsten Epiphaniensonntags des Evangeliums würdig; denn gegenüber dem außerordentlichen Lichte des Erlösers erscheint uns auch ein Licht, nemlich die Gemeinde des HErrn in der christlichen Verklärung ihres häuslichen Lebens. Da nun die erstere Epistel der Hauptsache nach gleichen Inhalts mit dem Evangelium ist, so laßt uns diesmal getrost die zweite zum Gegenstand unsrer Betrachtung machen und mit einander die christliche Verklärung des Familienlebens betrachten, wie St. Paulus dieselbe nach

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)