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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Zeit werden wir auch ärnten ohne Aufhören, oder wie andere nicht minder wahrscheinlich übersetzen, – so wir nicht ablaßen“. Dem treuen Arbeiter wird hier und dort der Gnadenlohn. Nur der Beständige kann hoffen, daß seine Gabe und seine Barmherzigkeitsübung die vollen Früchte für andere trage und für ihn selbst. Denn auch für ihn blüht jenseits mancher Gnadenlohn, wie der Text zu vermuthen und zu verstehen gibt. Es wird sich der Barmherzige freuen mit Denen, an welchen er Barmherzigkeit that. – Schöne Aussicht für den, der seine Seele vom Geize befreien läßt und aufhören kann, es für Verlust zu achten, wenn er für andere entbehrt und opfert. Reiche Belohnung für fröhliches Geben, ja für das Verarmen im Dienste und in der Liebe JEsu.

 Allein es ist auch der Drohung im Texte ein mächtiger Nachdruck gegeben, – ein Nachdruck, den ich an’s Ende stellen muß. Ich muß mich befleißigen, meine Vorträge mit Ernst und Nachdruck abzulegen, und dazu gehört es, daß der Schluß ernst und nachdrücklich sei. Wir reden und handeln schon zu lange mit einander, als daß nicht jede meiner Reden mehr die Natur des bloßen Vortrags zur Ausfüllung der Zeit verlieren und die Kraft eines Vaterwortes gewinnen sollte. Darum habe ich das Wort, das ich meine, für’s Ende verspart. Es soll ein gellender Schrei in eure schlafenden Ohren sein. Die Worte, die mir ein Schrei in’s Ohr zu sein scheinen, heißen: „Irret euch nicht; Gott läßt Sich nicht spotten.“ Was wollen diese Worte? Sie stehen unmittelbar nach den Worten, welche zur Mildthätigkeit gegen die Diener des Wortes ermahnen. Es ist, wie wenn der Apostel, der übrigens wie bekannt selbst gar keinen Sold nahm, sondern vom Ertrag seiner, oft nächtlichen Händearbeit lebte, auf den Zügen der Galater, denen sein Brief gelesen werden sollte, einen Spott vorausgesehen hätte, – wie wenn er geahnt hätte, als würden die Galater die Ermahnung zur Mildthätigkeit gegen die Diener des Worts übel ausdeuten. Dagegen ergreift ihn großer Ernst und seine Feder schreibt die scharfen Worte vom Selbstbetruge derer, welche glauben, die Lehrer, die Glaubensgenoßen, die Armen vergeßen und doch Christen sein zu können. Nein, nein! Der HErr verlangt von den Seinen Gehorsam. Ungehorsam gegen das Gebot der gebotenen Mildigkeit, namentlich gegen die Diener am Worte und die Glaubensgenoßen, ist Gottesspott, – Spott gegen Den, der sich nicht spotten läßt.

 Hier schweigt meine Rede.

 Wandelt im Geist – seid demüthig, sanftmüthig, barmherzig. Das ist der kurze Sinn des Ganzen,

 Ihr Glücklichen, wenn ihr erwacht und euch den Geist treiben und ziehen laßet!

 Ihr Unglücklichen, wenn ihr dem HErrn widerstrebet! „Irret euch nicht, ER läßt sich nicht spotten.“ HErr JEsu, errette uns von Ungehorsam!

Amen.




Am sechzehnten Sonntage nach Trinitatis.

Eph. 3, 13–21.
13. Darum bitte ich, daß ihr nicht müde werdet um meiner Trübsalen willen, die ich für euch leide, welche euch eine Ehre sind. 14. Derhalben beuge ich meine Kniee gegen den Vater unsers HErrn JEsu Christi, 15. Der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, 16. Daß Er euch Kraft gebe nach dem Reichtum Seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch Seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17. Und Christum zu wohnen durch den Glauben in euren Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden; 18. Auf daß ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite, und die Länge, und die Tiefe, und die Höhe; 19. Auch erkennen, daß Christum lieb haben viel
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/483&oldid=- (Version vom 1.8.2018)