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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Kleid an; und sie entsatzten sich. 6. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzet euch nicht. Ihr suchet JEsum von Nazareth, den Gekreuzigten; Er ist auferstanden und ist nicht hier. Siehe da die Stätte, da sie Ihn hinlegten. 7. Gehet aber hin und saget es Seinen Jüngern und Petro, daß Er vor euch hingehen wird in Galiläa; da werdet ihr Ihn sehen, wie Er euch gesagt hat. 8. Und sie giengen schnell heraus und flohen von dem Grabe, denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen und sagten niemand nichts, denn sie furchten sich.


 NIcht von der Auferstehung des HErrn selbst, wie sie geschehen ist, redet dieser Text, sondern er berichtet uns, wie der HErr die Seinigen zu dieser höchsten Freude vorbereitet hat. Der Uebergang von der tiefsten Traurigkeit zur höchsten Freude ist des Textes Inhalt. Der Bräutigam war genommen und nun sollte Er wiedergegeben werden, und zwar nicht wie Er genommen war, in Schmach und Leiden, sondern in Glorie und Majestät des Himmels. Damit nun die Hochzeitleute nicht allzusehr erschräcken, damit sie fein sanft und sicher zur Freude des Wiedersehens und Anschauens JEsu Christi geleitet würden: wird zuerst eine wunderschöne und liebliche Predigt gehalten, vor dem Auge das Ohr zur Osterfreude berufen, vor dem Schauen der treue Vorbote des Glaubens hergesandt. Vornehmlich von dieser Predigt redet unser Evangelium, und was es sagt, das wollen wir bedenken.

 Wir wollen sehen: 1. Wer die Prediger sind? 2. Wo sie predigen? 3. Wem sie predigen? 4. Was sie predigen? 5. Was der erste Eindruck ihrer Predigt war?


 Die Prediger sind Engel. Die Weiber sahen einen Engel nach Matthäus und Markus, nach Lukas und Johannes zwei, − Angaben, die sich mit nichten widersprechen, weil die ersten Evangelisten nur den einen Engel nennen, der besonders thätig und redend auftrat, die letzten aber neben dem besonders hervortretenden und thätigen auch den andern Engel nicht verschweigen, der in Begleitung des ersteren erschien. Nie und nirgends widerspricht sich die heilige Schrift; alle scheinbaren Widersprüche lösen sich in desto schönere Harmonie auf, so wie man sie mit dem Verlangen und Gebet um Licht und Aufschluß betrachtet. − Zwei Engel also sahen die Weiber, einer predigte. Hier ist erfüllt, was der HErr gesagt hat: „Ihr werdet sehen die Engel Gottes hinauf und herabfahren auf des Menschen Sohn.“ Wie in der Wüste bei Bethel zu Häupten Jakobs die Himmelsleiter sich erhob und Engel auf- und abstiegen, so ist hier ein neues Bethel höherer Art: wo das Haupt des getödeten Lammes gelegen ist, da steigen Engel auf und ab, da spricht man wahrer und tiefer noch als der erwachende Erzvater: „Wie heilig ist diese Stätte! Hie ist nichts anders denn Gottes Haus und hie ist die Pforte des Himmels!“ − Hier nahen sich nicht im Gesichte, sondern dem gewöhnlichen Auge sichtbar, nicht in Nacht und Traum, sondern im hellen Morgenlichte Gottes himmlische Geister; nicht allein geschaut werden sie, sondern vernommen, denn sie reden, sie predigen. Es ist also nicht mehr eine heimliche Verbindung zwischen Himmel und Erde; die Trennung und Scheidung zwischen den seligen Geistern und den sündigen Menschen ist weg: eine offenbare und völlige Vereinigung der Engel und Menschen ist gekommen, jene gehen mit Menschen menschlich um, bis die Menschen mit den Engeln engelisch umgehen werden. Was im Anfang Gott zusammengefügt, was der Satan durch die Sünde zertrennt, was sich seitdem beiderseits nacheinander gesehnt hat, hat sich wiedergefunden und am Grabe JEsu naht es sich wieder − eines dem andern. Und ganz heilig und lieblich ist die Vereinigung. Der Engel demüthigschöne Freundlichkeit, den armen gefallenen Menschen, den berufenen Erben der Seligkeit zu ihrem Heile zu dienen, zeigt sich so klar. Die gütigen Geister freuen sich so sehr, zu ihrem eigenen, ewigen Glücke diejenigen zu fördern, die so unglücklich geworden waren durch abgefallene Engel. Zwar habe ich noch an einem besonderen Orte in diesem Vortrage von der Predigt der Engel zu reden; aber ich kanns nicht umgehen, ich muß schon voraus ein weniges davon sagen, weil ich sonst die Freude und Freundlichkeit unserer heiligen, ewigen Freunde, der Engel, nicht hell genug zeigen kann. Das Wort und die Predigt von der Auferstehung wird ja das

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/189&oldid=- (Version vom 28.8.2016)