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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

an, wie St. Johannes schreibt, und eher dem Leibe nach, wie in der heutigen Epistel St. Paulus schreibt, so ist es ein kluger Wunsch, ehe Christus kommt, zu sterben! Denn der hat am ersten gewonnen, der am ersten mit Ihm in unwandelbarer Seligkeit vereinigt ist. Das sind aber nicht die Lebendigen, sondern die Todten!

 Selig sind die Todten, die im HErrn sterben, vom Nu an, denn der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit! Und derselbige Geist spricht auch, daß sie in ihrer Ruhe nichts versäumen, das da wichtig ist auf Erden. Denn was ist wichtig, bevor ER, der Richter, erscheint? Wenn aber Der kommt, dann sind die Todten dabei − dabei in vollester Theilnahme! Des Erzengels Posaune vernehmen sie so gut wie die Lebendigen! Des HErrn Angesicht, ihre Erlösung sehen sie in gleicher Weise! Vereinigt mit dem Leib der Herrlichkeit werden sie zuvor! Ihm beigefügt zuvor! Und die Heimfahrt, die Himmelfahrt halten sie mit ihnen!

 Selig sind die Todten, die im HErrn sterben! Vom Nu des Todes an − im Nu der Wiederkunft des HErrn − von Ewigkeit zu Ewigkeit! Halleluja!


Am sechsundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
2. Petri 3, 3–14.

 DEr Himmel steht schon so lange und die Erde, ohne daß eine wesentliche allgemein merkbare Veränderung erfolgt ist. Fast wie für die Ewigkeit gebaut wölbt sich der Himmel und die Erde scheint auf unvergängliche Säulen gegründet. Und während das Angesicht Himmels und der Erde so unveränderlich erscheint, predigen wir seit fast zweitausend Jahren immer zu den Untergang der Welt durch Feuer. Fürs Feuer behalten sei die Welt. Am Tage des HErrn werden die Himmel mit großem Krachen vergehen, die Elemente vor Hitze zerschmelzen, die Erde und die Werke in ihr verbrennen. Dann werde der HErr einen neuen Himmel und eine neue Erde bauen, auf welchen Gerechtigkeit wohnen. So predigt ein Geschlecht der Prediger nach dem andern. Und eines nach dem andern legt sein Haupt ins Grab, ohne daß eine Aenderung an Himmel und Erde erfolgt und die gefürchtete Auflösung aller Dinge erfolgt. Zwar wißen wir, daß schon von den allerersten Predigern dieser Lehre, von Petro und Paulo, gewarnt wird, daß man nicht willkürlich die Zeit des Endes bestimme. Petrus sagt, es seien tausend Jahre wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre, weil Gott an einem Tage so viel vollenden und vollbringen kann als in tausend Jahren, und in tausend Jahren, wenn Er will, nicht mehr als sonst in einem Tage. Die Zeit des Endes ist von Anfang an ganz ins Dunkel gestellt und dem HErrn allein bewußt. Aber eben diese bestimmte Lehre vom Ende, welche doch wieder so unbestimmt ist rücksichtlich der Zeit und Stunde, ist seit langem und wird bis ans Ende sein ein Gegenstand des Spottes der Spötter, die dem Augenschein mehr trauen, als dem Worte Gottes, und gern alles Gotteswort Lügen strafen möchten, damit es sie in ihren Lüsten nicht straft. Vor diesen Spöttern bewahre uns, o HErr, und behüte uns, daß wir niemals von ihren frechen Lügen angefochten werden. Dagegen laß uns Dir trauen, o HErr, und fest glauben, daß Du allein deshalb den Tag verziehst, weil Du Geduld hast und nicht willst, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre. Deine Geduld mit uns mache uns geduldig mit dem Elend der Zeit, daß uns die Zeit nicht lange werde, die Wartezeit auf den jüngsten Tag. Und weil dein Tag kommt, bald oder spät, und wir jeden Falls bis ans Ende unsers Lebens gerüstet sein müßen auf Deine Zukunft, so haben wir eine Bitte, die wollest Du uns nicht versagen: es wirke in uns Dein Geist nach den Worten Petri, daß wir Fleiß thun, vor Dir unsträflich und im Frieden erfunden zu werden. Was Dein Apostel Petrus vor seinem Ende feiernd gesprochen hat, hab ich betend nachgesprochen. Es sei mir, o Vater aller Gnade, vollkommene Wahrheit wie alle Deine Worte! Amen.


Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/553&oldid=- (Version vom 1.8.2018)