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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

war auch nicht einer, der sich bereit erklärt hätte, die Trauung zu vollziehen.




 So groß jedoch in Betreff der Trauungsverweigerung die Einstimmigkeit war, so wenig gelang es mir, in der Führung der Sache jedermann zu befriedigen. Ich hatte den entschiedensten Willen, recht und nach keiner Seite hin mehr zu thun, als nöthig. Ich war schon einmal im Jahre 1837, ehe sich der bekannte Otto v. Gerlach’sche Fall in Preußen ereignete, als Pfarrverweser von Merkendorf in einer sehr ähnlichen Lage, und unter dem damaligen, gegen mich wohlwollenden Kirchenregiment wegen verweigerter Trauung von der Pfarrverwesung entlaßen worden. Ich hatte bei meiner Installation als Pfarrer von N.D. in demselbigen Jahre feierlich dagegen protestiert, mein Pfarramt in Ehesachen nach den bestehenden Ehegesetzen (denen des preußischen Landrechts) führen zu sollen. Ich hatte darauf mehrere Jahre hintereinander im Verein mit dem sel. Herrn Dekan Brandt bei Diöcesansynoden etc. die Anregung zu Eingaben und Erklärungen gegeben, welche sich auf Abänderung der Ehegesetze bezogen. Das alles konnte nicht geschehen, ohne daß ich mich mit dem Eherechte bekannt machte. Auch hatte ich mit allem Ernste die mir von dem Herrn vertraute Gemeinde durch Predigt und Unterricht zum Gehorsam gegen die Ehegesetze des göttlichen Wortes zu ziehen gesucht, und, unterstützt durch einige sehr instructive Fälle, welche sich dem göttlichen Worte zuwider in der Gemeinde erhoben hatten, Erfolg gehabt, wie in wenig anderen Stücken. Auch stand ich immer auf der Wache, damit nicht irgend in Ehesachen ein Uebel geschähe, welches ich hätte hindern können. Ich hatte auch den Fall, von dem wir reden, vorausgesehen und vorausgesagt, und glaubte für alle Eventualitäten gefaßt zu sein. Auch war ich ja 23 Jahre lang Pfarrer in N.D. gewesen, so daß von jugendlicher Unbesonnenheit keine Rede mehr sein konnte. Dazu besprach ich auch in unserem besonderen Fall alles und jedes mit, versteht sich, gleichgesinnten, einsichtsvollen Freunden, und fügte mich bei Meinungsverschiedenheiten der Einsicht anderer. Habe ich nun trotz dem hie und da den rechten Weg nicht gefunden; so habe ich es weniger zu bereuen, als zu bedauern. Es liegt mir auch nicht daran, mich jetzt zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, sondern nur meinen Sinn darzulegen, welchen andere schwerlich beßer wißen können als ich.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)