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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

 Man hat aber nicht blos mein Verfahren in Betreff der Eheeinleitung getadelt, sondern auch die Weigerung in Betreff der Eheschließung, und da ich mich nicht blos weigerte, zu trauen, sondern auch, ein Dimissoriale für einen Pfarrer von anderer Ueberzeugung auszustellen; so ist der Tadel auf beides gefallen. Was die Trauung anlangt, so hat man theils meine Weigerungsgründe, theils die Anordnung und Reihenfolge derselben, theils die Betonung einzelner unter ihnen als unrichtig verworfen. Endlich hat man es auch unschön und unpassend gefunden, daß ich mich einfach weigerte, anstatt um Verschonung zu bitten. Ich werde also hier meinen Sinn rücksichtlich aller dieser Punkte darzulegen haben.

 Wir faßen zuerst die Weigerungsgründe ins Auge. In dem pfarramtlichen Berichte zählte ich drei förmlich auf, führte aber auch endlich einen vierten an, wenn auch nicht unter Ziffer und in Form der Aufzählung. Kurz zusammengefaßt waren es folgende, und in folgender Ordnung zusammengestellt:

 „„Ich kann nicht trauen, denn:

1) der Scheidungsgrund der böslichen Verlaßung widerspricht in der Ausdehnung, welche er in der lutherischen Kirche gefunden hat, dem göttlichen Wort und der Belehrung des h. Paulus 1. Cor. 7, aus der er auf dem Wege der Analogie gefunden ist;
2) in dem vorgelegten Fall ist nicht einmal eine bösliche Verlaßung im Sinne des gewöhnlichen Kirchenrechtes vorgekommen;
3) wenn auch eine rechtmäßige Scheidung da gewesen und der Schluß auf Wiederverehelichung berechtigt wäre, so hätte der Geschiedene nach Gottes Wort die Mutter seiner in Ehebruch erzeugten Kinder, nicht aber eine dritte Frauensperson ehelichen sollen;
4) überhaupt ist die Frage, ob man einen Menschen, der sich in dem Maße wie dieser Bräutigam von der Kirche losgesagt hat, daß man ihn in unsern gegenwärtigen Zuständen der Unordnung in Betreff der Zucht den Excommunicierten gleich zu stellen hat, kirchlich einsegnen, überhaupt ihm eine Benediction zu Theil werden laßen kann.““

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)