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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

ecclesiae im biblischen Sinn (Matth. 18) geschehen, Pfarrgemeinde und Ministerium derselben, der Sache ganz einig sind? Nach unserm, und zwar ganz neu aufgelebten Brauch und Recht kann ja nicht einmal ein Haushalter über Gottes Geheimnisse vom heiligen Mahle temporär abweisen, ohne Genehmigung der staatskirchlichen Behörde, geschweige daß eine Excommunication vollzogen werden könnte. Da nun aber ein Prozeß des Bannes bei uns gar nicht besteht, auch in Bayern nicht, – es auch gar nicht gut wäre, wenn eine pure Repristination der alten, kirchenregimentlichen, sehr unvollkommenen, theilweise geradezu verwerflichen Bußordnungen stattfände, – überhaupt auf kirchenregimentlichem Wege, bei der Beschaffenheit der gegenwärtigen Gemeinden, für Bann und Bußordnungen gar nichts zu leisten, – auch gar kein Fall bekannt ist, in welchem unter uns eine Excommunication vorgekommen wäre; so wäre es gewiss verlorene Mühe gewesen, auf Excommunication unseres Bräutigams anzutragen. Im besten Falle würde auf dem bureaukratischen Wege zum Ziel so viele Zeit vergangen sein, daß das Gesuch der Trauung zehn Mal hätte erneuert werden, und die gesammte Aufregung immer und immer neu geschürt werden können. Dazu würde es mir in Wahrheit unmoralisch vorgekommen sein, auf Excommunication eines Mannes wegen seines vergangenen Lebens bloß deshalb anzutragen, damit man ihn nicht trauen müße. Denn man konnte doch wahrhaftig nicht auf Excommunication bei einer staatskirchlichen Behörde antragen, weil der Mann durch das rechtmäßige Ehegericht geschieden war, und eben so rechtmäßig die Erlaubnis zur Wiederverehelichung empfangen hatte, und gleichfalls rechtmäßig auf Trauung, und zwar wieder rechtmäßig, in seiner Pfarrkirche drang!? Um allen diesen Rechtmäßigkeiten mich zu entwinden, sollte ich auf Excommunication dringen, da ich sie gar nicht bedurfte, die Gemeinde und die Kirchenvorsteher mit dem Bräutigam, so wie er war, ohnehin nicht zu Tische gehen wollten, er auch nicht mit ihnen. In der That, diesen Weg konnte ich nicht betreten, ich hielt ihn für unsittlich; ich hätte es, auch wenn ich es hätte bewirken können, für unrecht gehalten, gerade mit dem armen Menschen den Anfang zum Wiedereintritt öffentlicher Excommunicationen zu machen, der, so reif zur Excommunication er sein mochte, doch in dieser Reife vielen anderen den Vorrang ließ, bei denen man zu heilsamen Exempeln den Anfang machen sollte, wenn man überhaupt wollte. Auch muß ich gestehen, daß ich es für viel leichter hielt,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)