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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

 Ehegesetze zu ändern, als Zucht und Ordnung in das Chaos einer verderbten Landeskirche zu bringen. – Es kam bald die Zeit, in der ich zu anderem Zwecke so kühn war, ein wenig Strenge der Zucht für den Bräutigam zu wünschen, zum Zweck der Copulationsverweigerung aber mochte ich die Excommunication nicht fordern.

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 Nicht größeren Erfolg würde ich mir versprechen dürfen, wenn ich bei meiner Weigerung den zweiten Grund ohne Nr. 1 u. 3 hingestellt hätte. Hat er mit 1 u. 3 keinen Erfolg gehabt, die ihm doch nur hilfreich sein konnten; so würde er ohne die beiden gewiss nicht stärker geworden sein. Nr. 2 sprach ja doch in der Gesellschaft der andern Gründe ganz vernehmlich und klar die Wahrheit aus, daß ein Fall böslicher Verlaßung im gewöhnlich kirchenrechtlichen Sinn nicht vorhanden gewesen sei. Gerade das war ja recht einleuchtend und würde sich auf die mannigfachste Weise haben erheben und bestätigen laßen. Hat aber deshalb eine von den geistlichen Oberbehörden auch nur Miene gemacht, auf Revision des Scheidungsprozesses anzutragen? Oder hat irgend eine dem Pfarramte Dettelsau nur die fernste Veranlaßung gegeben, es seinerseits zu thun? So rein bureaukratische Behörden sind doch unsere kirchlichen Stellen nicht, daß sie sich den Weg, eine Sache zu behandeln, durch das bloße Scriptum eines, vielleicht ungeschickten und ungelenken, Pfarrers vorzeichnen laßen! Sie wollen doch auch zum besten helfen und rathen. Warum haben sie denn in diesem Falle nicht etwas von der Art gethan? Sind sie etwa auch, wie einer von mir sagte, zu sehr pastoral und zu wenig kirchenrechtlich gesinnt und gebildet, als daß sie ihres eigenen oder der Untergebenen Vortheils wahrnehmen könnten? Die competente Behörde hatte ein Scheidungserkenntnis gegeben, ob ein richtiges oder falsches, das war irrelevant. Es war wenigstens nicht Beruf geistlicher Behörden, dasselbe anzutasten oder anzuzweifeln. War Unrecht und Sünde am Erkenntnis, so war klar, wer es zu verantworten hatte. Nach dem aus einem von der Kirche anerkannten Grund auf Scheidung und Wiederverehelichung erkannt war, hatte der zuständige Pfarrer zu trauen, oder –. So mußte man bei der Unterscheidung des staatlichen und kirchlichen Gebietes und den bestehenden Verhältnissen der beiden zu einander urtheilen, wenn man den Scheidungsgrund überhaupt für dem göttlichen Worte gemäß erkannte, und sich also keine Collision zwischen dem göttlichen und menschlichen Gesetze ereignete. Da mein Grund Nro. 1 vorhanden war, war ich genöthigt, mich der

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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)