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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

haben Elemente für ein Ehescheidungsrecht unter Christen liefern wollen; sie wollten gar keine Scheidung, und in den angezogenen Stellen ist bloß gesagt, was ein Christenmensch vorkommenden Falls zu leiden und zu dulden habe, nicht aber ist eine Anleitung zum Handeln, zu Ehescheidungsklagen gegeben. Es ist wahr, daß die Ehe factisch auch durch andere Sünden und Gebrechen der Eheleute gestört werden kann; aber daraus folgt nicht, daß ich mir durch Verallgemeinerung und Abstraction den Weg bereiten darf, zu den beiden in der Schrift genannten Ehestörungen noch andere zu setzen, um sie dann als göttliche Scheidungsgründe einem menschlichen Eherechte einfügen zu können. Wenn ja von Menschen geschieden sein soll, so ist es das sicherste und beste, am Wort zu bleiben, und sich der Schlüße zu begeben, die in der Praxis geradezu gegen den Hauptgrundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe anlaufen. Es ist hier nicht der Ort, den Inhalt der hl. Schrift über Ehefragen vorzulegen, zu summieren und anzuwenden. Ich wollte nur so viel reden, als nöthig war, anzudeuten, daß für mich, für mein Verständniß der hl. Schrift und für mein Gewißen, die bösliche Verlaßung als Scheidungsgrund eine gewagte menschliche Meinung ist, und obendrein in der Art und Weise, wie sie angewendet wird, ein Flecken der lutherischen Kirche, dem man nicht minder feind sein muß, als unsere Väter 1530 so mancher verderblichen römischen Tradition. Es ist gerade nichts angenehmes, wenn man durch irgend einen Fall genöthigt wird, mit einer einsameren Ueberzeugung herauszugehen und zwar geradezu ins praktische Leben. Aber wohlan, fügt es Gott einem Menschen so, so bringe dieser seinem Herrn sein armes Bekenntnis und trage den Vorwurf von Freund und Feind mit Geduld. Der Herr, der barmherzig und gnädig ist, kann ja am Ende seine Gemeinde doch auch von den Lasten und Flecken erlösen, die sie auf dem Wege der in der Zeit kaum möglichen Vereinigung und der jammervollen Vermengung von Staat und Kirche auf und an sich nehmen mußte. – Jedenfalls werden meine Leser aus dem allen erkennen, daß ich meinen ersten Weigerungsgrund nicht entbehren konnte.

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 Neben den drei bisher erwähnten Weigerungsgründen mag sich der vierte (der Reihe nach der dritte) gering ausnehmen. Er heißt, auf 2. Mos. 22, 16. 17. gegründet, kurzweg so: „Ich traue dich nicht, weil ich dich mit einer anderen trauen sollte.“ Und doch ist

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)