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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

Satzung zu verbleiben, daher auch von Separation und Verletzung der Einigkeit sprechen, wenn die Bahn des Beßeren betreten wird.

 Es gibt unwandelbare Dinge, in welchen sich die Kirche immer gleich bleibt. Wir faßen sie mit den recht verstandenen Worten Bekenntnis; (nicht Lehre, Theologie, Lehrart, Wißenschaft) und Verwaltung der Sacramente zusammen. Es gibt aber auch viele Dinge, in welchen die Kirche frei, daher der Bewegung fähig, wandelbar, der Entwickelung bedürftig ist. In diesen darf niemand zu conservativ sein, weil sonst nicht bloß die Freiheit der Christen gebunden, sondern Liebe und Einigkeit gestört wird, so wie eine Bewegung eintritt. Soll Einigkeit und Liebe in der irdischen Kirche bestehen, so darf man der Einigkeitspunkte nicht zu viele setzen. Das berühmte Wort Zinzendorfs von Stätigkeit und Bewegung innerhalb der Kirche[1] muß im kirchlichen Leben Meister sein.


  1. „Die Ordnungen, von der grösten bis zur kleinsten, haben ihre Ursachen, und was an ihnen noch mangelhaft ist, kann und soll je eher je lieber gebeßert werden. Doch wird dabei Nichts übereilt, noch als etwas auf immer Unveränderliches festgesetzt. Es kann vor zwanzig Jahren eine zweckmäßige Ordnung gemacht sein, die jetzt eine Unordnung wäre, und vor zwei Jahren eine, die jetzt keinen Zweck hätte. Es muß sich alles Aeußere nach dem Leben und dem Innern richten, und, dem Geist des Ganzen gemäß zur Beförderung der Sache oder zur Abweichung und Heilung eines Schadens, an den äußeren Einrichtungen geändert und gebeßert werden.
    .
     Es ist eine Schönheit, daß sich die Alte Brüderkirche schon vor 300 Jahren vorbehalten hat, immer zu beßern und an den vorhandenen Unvollkommenheiten zu ergänzen. Denn unvollkommen bleiben und müßen wir hienieden bleiben. Das Beßern ist darum nicht vergeblich, sondern geschieht mit gutem Erfolg, weil der heilige Geist hilft, und wir unter Seiner Leitung und Handreichung uns von Zeit zu Zeit seliglich zu erneuern suchen. Sobald wir uns das Kleinod nehmen ließen und die demüthigen Verbeßerungs-Ideen mit einer stolzen Selbstgefälligkeit vertauschten, so würde es uns wie früheren Oekonomieen gehen, die, sobald es aus dem gewohnten Gang herausgieng, stutzig und unwillig wurden und diejenigen anfeindeten und verfolgten, die weiter mußten. Hätten sie bei Zeiten selbst daran denken wollen und die Verbeßerung zur rechten Stunde Platz finden laßen, so hätte ihnen der Heiland nicht Gesandte schicken dürfen, die es in seinem Namen thäten. So aber haben sie gemeiniglich keine Lust dazu gehabt, eine Zeit nach der andern so hingehen laßen und das Alte noch dazu, so gut sie konnten, befestigt. Sie hatten sich entweder über den weiteren Wachsthum Anderer aufgehalten und geärgert, oder [38]
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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)