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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

von 9 Monaten. Die amtliche Mittheilung der Ehescheidung an das Pfarramt ND. erfolgte am 25. November 1859.

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 Während der langen Zeit des Scheidungsbetriebs hatte der Mann auch versucht, mit dem Scheidungsgrunde der Untreue zum Ziele zu kommen; der Versuch war aber nicht gelungen; wohl aber hatte er selbst bei währendem Prozeß, also auch bei noch bestehender Ehe, mit einer Dirne von einem benachbarten Dorfe zwei Kinder in Ehebruch erzeugt, was aber, wahrscheinlich weil es nicht benützt wurde, dem Processe keine andere Wendung gab, obwohl es mehr als hinreichend war, im Interesse der Frau die Ehe zu zerreißen und die Schuld auf den Mann zu wälzen. Was nun den Scheidungsgrund, der durchschlug, anlangt, so mag vielleicht das Weib während der ihr gerichtlich auferlegten Frist keinen Versuch gemacht haben, sich wieder in das Haus ihres Mannes einzudrängen, und es kann daher ganz leicht der formale Beweis der böslichen Verlaßung zu Stande gebracht worden sein. Allein der Mann hatte sie schon früher nicht im Hause geduldet, und wenn sie es versuchte, bei ihm zu wohnen, wurde sie so mishandelt, daß sie gerne gieng, und daß gewiss auch keine andere geblieben sein würde. Da er sie einmal mit Hammerschlägen zum Hause hinausgejagt hatte, und sich sonst niemand bereit fand, sie zu dem gewaltthätigen Manne zurück zu bringen, führte ich sie selbst zurück, war Zeuge einer abscheulichen Scene, und mußte mir gefallen laßen, daß mir die Thüre auf eine rohe Weise gewiesen wurde, nachdem ich einer persönlichen Gefahr entgangen war. Der Wüthende hatte nemlich bei der ersten Anrede von meiner Seite ein Schaff, das er in den Händen hatte, mit solcher Gewalt auf seine Schnitzbank geworfen, daß es bis an die Decke sprang und dicht vor mir von der Decke wieder abprallte und zu Boden stürzte. Als ich das Haus verließ, standen mehrere Nachbarn in der Nähe, wie sie sagten, aus Besorgnis, es möchte mir ein Leid geschehen. Was hätte das ungeschickte Weib gegen einen solchen Mann vermocht? Er jagte sie von sich, ließ sie nicht wieder zu sich, und klagte dann wegen böslicher Verlaßung, deren, wenn man es nicht blos formal verstand, allenfalls er, aber nicht das Weib schuldig war, das ihm, wie das Lamm dem Wolfe in der Fabel, das Waßer trüben mußte, damit er Ursache fand es zu verderben! Ich habe niemals Grund gehabt, mit dem Weibe zufrieden zu sein, aber es war doch jedenfalls kein Wunder, wenn man schon vor der Scheidung an ihr Zeichen von Geisteskrankheit fand, so

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)