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nicht eher wahre Ruhe, bis es in Seinen Händen ruht und an Seinem Herzen schlägt!


IV.

 Als Maria und Joseph ihren JEsus nirgends fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten Ihn. Und nach dreien Tagen schmerzlichen und vergeblichen Suchens suchten sie Ihn da, wo sie Ihn hätten zuerst suchen sollen, – im Tempel. Da saß JEsus mitten unter den Lehrern, in heiliger Vergessenheit aller irdischen Dinge, die himmlische Wissenschaft von Gottes Wort mit langen Zügen trinkend. ER fragte die Lehrer, und sie fragten Ihn; es war beiden so wohl – und man wußte nicht, wo man mehr Weisheit sehen sollte, ob auf den Lippen der ergrauten Lehrer, oder vielmehr auf den Lippen dieses Unmündigen, über dem mehr, als über allen Unmündigen gilt, was ER selbst als Mann sprach: „Ich preise Dich, HErr und Vater Himmels und der Erde, daß Du dies den Weisen etc.“ Die Lehrer schöpften Weisheit aus Seinen Fragen, und ER freute sich der Weisheit in ihren Antworten. Sie waren beiderseits voneinander hingenommen – und Gottes guter, heiliger Geist wirkte zwischen ihnen eine gegenseitige Liebe, wie sie nicht bei allen Lehrern und Schülern sich findet. So fanden Ihn Maria und Joseph; sie sahen es, und in ihre Freude mischte sich ein heiliges Entsetzen über den, welchen sie ihren JEsus, ihren Knaben nannten.

 Liebe Seelen! Der Mensch gleicht bei seiner Sehnsucht nach himmlischer Befriedigung, wenn es erlaubt ist, die Kinder der Welt mit solchen Personen zu vergleichen, er gleicht Maria und Joseph. Denn er sucht auch immer die himmlische Speise bei seinen Gefreundten und Bekannten, das ist, bei seinesgleichen, bei der Welt. Die arme Welt gleicht einem Marktschreier, der mit lautem Geschwätz die Güte seiner Mittel rühmt, die doch nichts helfen können. Es ist dem Marktschreier nicht um die Genesung der armen Welt zu thun, – ach nein! er schreit seinetwegen, er verspricht, was er nicht halten kann – und Thoren sind’s, die ihm trauen! Ihr Lieben! Warum folgen so viele unter uns der Gleißnerin,