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der Welt? Warum sucht ihr euren Gott und Seinen Frieden bei ihr, die ohne Gott ist, von der doch geschrieben ist: „Die Gottlosen haben keinen Frieden!“? Warum doch sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Die Welt, ihre Weisheit, ihre Thorheit – ihre Herrlichkeit und Ehre und ihre Freude: noch ist keine Seele aus der Zeit vor Gottes Thron getreten, die nach vollbrachtem Lauf sagen konnte, daß sie in der Welt Frieden und Gott gefunden hätte. Warum sucht man den Ewigen, die Quelle des Lebens, den Vater des Lichts, an allen Orten – und nach Jerusalem geht man zuletzt? Und doch findet man Ihn nur da – das ist, nur im Tempel! Teure Seelen! Der Tempel ist zu klein für die Fülle Seiner Herrlichkeit; der Himmel ist Sein Stuhl, die Erde Seiner Füße Schemel – der Tempel ist überall! Du mußt nicht nach Jerusalem wallfahrten, um Ihn zu finden; der HErr ist allgegenwärtig, nahe bei einem jeglichen unter uns! Steh still, Seele! Überall, allgegenwärtig, auch um dich – ist deines Vaters Haus; falle nieder, seufze zu dem Allgegenwärtigen, den du nicht spürst, so wird ER sprechen: Hephata! Du wirst hören, wie ER um dich ist – mit Freudengetön! Du wirst merken, daß Sein Reich – mitten im Tumult der Welt – um dich ist! ER kann sich offenbaren, ER offenbart sich auch dem betenden Herzen! Und wenn ER sich offenbart, – dann freut man sich, wie Maria, da sie ihren Sohn fand, – wie die Mutter Gottes, da sie ihren HErrn und Gott und Sohn wieder hatte! O das ist eine selige Stunde, wo man dem nahe kommt, der uns allezeit nahe gewesen, der uns je und je geliebt und aus lauter Liebe zu sich gezogen hat! Was weiß die Welt, wie es einem seligen Sünder JEsu ist! Das ist ihr zu wunderlich und zu hoch; sie sei entschuldigt, wenn sie es für Schwärmerei hält. Sie kennt JEsum nicht, und den Weg zu Ihm kennt sie auch nicht; sie ist viel zu sinnlich und unvernünftig, als daß sie des HErrn Allgegenwart vernehmen und inne werden könnte! Aber selig sind, die Ihn finden! Bei ihnen heißt es: „Bei Dir ist ja Vergebung, daß man Dich fürchten muß!“ In die Freude der Vergebung mischt sich ein Staunen und Entsetzen