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sie gesehen, was sie geschaut, was sie betastet hatten vom Wort des Lebens. Einige Augen hätten sich allenfalls täuschen können, aber so viele nicht, als es nun offenbar ist, daß sie Ihn geschaut haben, denn außer vielen einzelnen Erscheinungen zeigte sich der auferstandene Heiland zuerst 500 Menschen auf einmal, und daß tausend, dazu noch ungläubige Augen sich getäuscht haben, ist nicht denkbar. Es ist schlimm, wenn ein Mensch seine Vernunft für einen gültigeren Zeugen hält, als tausend Augen von 500 Menschen, die ebensowohl eine ungläubige Vernunft hatten, wie wir! Es ist schlimm, wenn wir nach so viel Zeugen noch nicht an Christum, den Auferstandenen glauben! Es ist schlimm, wenn Christus seit dem Tage, da ER die Jünger schalt, immer noch fortschelten muß über den Unglauben und das harte Herz der Seinigen! Ja, es ist der allerschlimmste Tadel, wenn ER den Glauben tadeln muß, denn wenn ER den Glauben tadeln muß, so muß ER gewiß auch das Leben tadeln, weil aller Tadel des Lebens, alle Weltlichgesinntheit, alles Spielen, Saufen, Huren, Geizen, Habsucht, Prahlerei, Großthuerei und Stolz samt Eitelkeit bloß daher kommt, daß der HErr den Glauben tadeln muß; denn wo es mit dem Glauben seine Richtigkeit hat, da finden sich jene Laster nicht. Ach, meine Teuren, prüft eure Werke, ob sie zu euerm Bekenntnis stimmen, ob sie christlich sind, so werdet ihr inne werden, daß der HErr euern Glauben nicht loben kann! Ach, eilet, daß ihr Seinem Schelten entrinnet; denn ob es gleich jetzt in Geduld geht, Sein Schelten, so wird es doch anders werden, Sein Zorn wird bald angehen, und wohl dann denen, die auf Ihn trauen!

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 2. Das zweite Vermächtnis ist der letzte Befehl, das letzte Gebot unsers HErrn. Denn ER sprach zu Seinen Jüngern: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur!“ Sieh, welch ein gewaltiger König ist der HErr JEsus Christus, ER sagt nicht zu Seinen Jüngern: „Gehet hin und fraget die Könige und Völker und Kreaturen, ob sie Mein Evangelium hören wollen, und wenn sie es hören wollen, so predigt es ihnen!“ nein! sondern ER sagt: Ihr sollt mir ganz ungefragt, frank und frei, mit