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uns Kraft zu geben, aufzufahren, wie Adler, und diese Seligkeit zu erbeuten. Da aber zerreißt die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes den Himmel, der Aufgang aus der Höhe besucht uns, auf daß ER erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Ja, der barmherzige Gott wird selbst Mensch, tritt hinein unter die arme Menschenherde und tröstet sie: „Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ Seine Barmherzigkeit wird unser Leben, Seine Güte ist besser, denn leben. Erst im Neuen Testament geht recht in Erfüllung, was im Alten geweissagt ist: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber Meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund Meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HErr, dein Erbarmer“ (Jes. 54, 10). Mit Seiner ewigen Barmherzigkeit nimmt ER unser ewiges Elend weg, auf daß alle Angesichter anbeten zur Erde und alle Herzen Ihm danken, daß ER freundlich ist und Seine Barmherzigkeit ewig währt!

 Diese Seine ewige Barmherzigkeit erweist sich in der Zeit immer und immer wieder und läßt sich schauen unter den Menschenkindern, damit sie erkannt und geglaubt werde, daß sie ewig ist. Von Geschlecht zu Geschlecht that der HErr im Alten Testament eine That zum Besten Seines Volks, an der es Seiner Gnade und Barmherzigkeit inne werden konnte. In den letzten Jahrhunderten vor Christo floß scheinbar das Füllhorn der göttlichen Barmherzigkeit nicht mehr, aber in Christo JEsu selbst war alle Fülle, ER war selbst das Füllhorn der Barmherzigkeit Gottes. Ja, auch den heiligen Geist und Seine Gaben sandte Gott um JEsu willen, und seitdem schwimmt die Kirche in Gottes Gnade. Von heute, vom ersten Pfingsten an, hat sich der Geist des HErrn und Seine Barmherzigkeit als eine unerschöpfliche und ewige dargestellt.

 Was ist das für eine Barmherzigkeit Gottes? Sie läßt Ihm gleichsam keine Ruhe, ER muß uns alles geben, was ER hat, ER zieht uns in den Genuß Seiner Seligkeit hinein, ER enthält uns nichts vor. ER schenkt uns den Sohn, ER schenkt uns den Geist in unsere Herzen, ja ER selbst tritt mit