Seite:Wilhelm Löhe - Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahres.pdf/456

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

in Israel findet. Darum, meine Teuren, danket fleißig! „Wer Dank opfert, der preiset Gott wahrhaftig.“

 2. Danken ist seliger als Beten, so viel mehr, als der mehr hat, der ein gewünschtes Gut empfangen hat, als der, welcher noch darum bittet. Wer betet, der sucht, aber wer dankt, der hat gefunden. Wer betet, der klopft noch außen vor der Thür, aber wer dankt, der ist eingetreten, der ist im Hause und hat Obdach und Ruhe und Seinen Vater gefunden. Darum ist Danken seliger, als Beten.

 3. Danken heiligt mehr, als Beten. Der Dankende ist im Hause Gottes, Gott näher, als der Beter. Je näher aber Gott, desto ferner von der Welt, von ihrer Unreinigkeit und Sünde, desto näher der Reinigkeit und Heiligkeit. Wer dankt, dringt vorwärts. Wer immerfort an Gottes Thür bettelt und klagt, ohne hineinzudringen, ohne Ihm zu danken, der kann nicht ins Reich Gottes dringen. Wer aber dankt, der wird von Stufe zu Stufe gefördert. Die Dankesfreude fördert mehr, als alles Gebet. Denn der Dank macht das Herz mutig, den Arm stark, die Füße behend und fest. Danken macht demütigere Leute, als beten. Denn wer betet, meint oft, es müsse ihn Gott um seinetwillen erhören, und wenn ER ihm nicht zu Sinne thut, so geht er kalt von Ihm weg und vermag nicht zu danken. Wer aber dankt, der erkennt die Wohlthaten als dankenswert, den Geber als liebenswert, sich als unwert, Gaben zu empfangen, und da ist offenbar mehr Demut. Wo aber Demut ist, da sprudelt der verborgene Quell der Heiligkeit, den Gott segne!

 4. Danken ist seltener. Trotzdem, daß Danken größer, seliger und heiligender ist, ist’s doch seltener. So verkehrt ist das Menschenherz, daß es selbst seine Seligkeit nicht will. Die meisten Menschen sind wie die ungezogenen Kinder, die zwar Betteln und Verlangen von ihren Eltern trefflich verstehen, aber nach der Gabe, erfreut über sie, vom Geber sich desto mehr entfernen und keinen Dank sagen. Sie bitten und nehmen und lassen sich’s wohl sein bei Gottes Mahlzeit, ohne Ihn dafür zu grüßen. Und das thut nicht allein der Weltmensch, sondern auch begnadigte Leute haben oft noch so viel