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über die Geburt Seines Sohnes war aller Welt verborgen. Aber ER öffnete Seine Himmel – Seine Heerscharen mußten herabfahren über Bethlehem – Seine Klarheit begleitete sie – sie mußten auf Sein Geheiß vor den Ohren armer Hirten einen himmlischen Lobgesang singen. ER selbst führte den Eingeborenen in die Welt ein und sprach zu Seinen Himmeln: „Es sollen Meinen Einzigen alle Engel Gottes anbeten!“ – Da wurde die Liebe des Vaters zu dem Menschgewordenen klar. ER nannte Ihn auch zweimal vom Himmel „Seinen lieben Sohn, an dem ER Wohlgefallen habe!“ ER rief einst vom Himmel: „Ich habe Ihn verklärt und will Ihn abermals verklären!“ – Zwar da der Sohn am Kreuze hing, ging in Erfüllung, was geschrieben ist Ps. 8: „Du wirst Ihn lassen eine kleine Zeit von Gott verlassen sein.“ Aber der Vater hat Ihn auch durchs Leiden des Todes gekrönt mit Preis und Ehren. Wer Augen hat zu sehen, vermag ohne große Mühe überall zu erblicken, wie der Sohn von dem Vater nach seiner Menschwerdung Beweise unaussprechlicher Liebe empfing.

 b) Ebenso offenbar ist aber auch die Liebe des Sohnes, welche ER seit Seiner Menschwerdung gegen Seinen himmlischen Vater vor den Augen der Welt bewiesen hat. Wie gehorsam war Seine Liebe in der Menschwerdung! Nichts lag der Gottheit des Sohnes, welche unbefleckt und rein ist, ferner, als die sünden- und fluchbeladene Menschheit. Wenn man sie mit einander vergleicht, muß man wohl fragen: Was hat die Gerechtigkeit für Genieß mit der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?

 Dennoch verschmähte der ewige Sohn es nicht, ein Bruder der sündhaften Menschen zu werden – und nachdem die Kinder Fleisch und Blut haben, ist ER’s gleichermaßen teilhaftig worden – wiewohl ohne Sünde. ER ward ein armes Kind – und ist kein sichtbarer Unterschied zwischen Ihm und andern Kindern. Wahrlich, über Seinem ersten Lager ebenso gut, wie über seinem letzten – hätten die Worte stehen dürfen: „Ob ER wohl in göttlicher Gestalt war“ etc. – Auch in Seinem ganzen nachfolgenden Leben war