Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/37

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 7. Bis hieher, lieben Brüder, gedachten wir eigentlich blos der Lehrer und Prediger. Aber die Sache geht weiter: jeder Mensch ist in seinem Kreise ein Prediger, wenigstens durch das Beispiel. Darum giebt’s in jedem Stande Wölfe im Schafpelz. – So giebt es zum Beispiel eine Klasse von Menschen, deren Beispiel in unsern Tagen noch mehr Gewalt hat, als das der Prediger. Ich meine die Edlen und Vornehmen dieser Welt. Diese sind, wofern sie Heuchler sind, unter allen Wölfen die gefährlichsten. Wie Capernaum sind sie bis in den Himmel erhoben: weil sie so hoch stehen, sind der Menschen Augen zu ihren Gunsten bestochen. Der Herr hat sie mit irdischer Pracht ausgezeichnet unter den Menschenkindern – nach unerforschter Gnade: Er hat sie erhöhet bis zum Himmel, Er kann sie erniedrigen bis zur Hölle: wenn Er zu Gerichte sitzt, sieht Er nicht Person an – benedeit und fluchet einem jeden Baume je nach seiner Frucht.

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 Ferner kennen wir alle eine große Gleißnerin. Ehedem hatte sie ihren Sitz in den großen Städten, nun ist sie in alle Städte, in alle Märkte, alle Dörfer eingedrungen. Ich meine die falschberühmte Aufklärung und sogenannte höhere Bildung. Ihr Geschrei ist auf allen Gassen, so gemein, wie der Staub, der überall daheim ist. Aufklärung, höhere Bildung nennt sie sich; aber sie ist nicht, was sie sich nennt; eine grimmige Wölfin steckt unter der Decke, deren eigentliche Namen sind: Luxus – Stolz und Hoffahrt. Es offenbart sich bereits, wohin diese Aufklärung führt. Hochmuth kommt vor dem Fall, und Luxus vor der Verarmung. Bei einer großen Anzahl von Menschen werden der Bedürfnisse, der Vergnügungen so viele durch Kraft dieser Aufklärung, daß Vermögen, Kraft und Fleiß nicht mehr das Nöthige erschwingen können. Darum arbeitet man übermäßig und vergißt über der Arbeit Gott Und Gottes Wort, damit man nur am Feiertage etwas habe zu verprassen. Kann man