Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/7

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und Gängelbande der Rede, welche die scholastische und neuere Zeit aufgestellt hat, hätten kommen können. Sie vertieften sich predigend in das göttliche Wort, vergaßen sich und den eitlen Ruhm der hinfälligen Welt über dem herrlichen Strahle des Reiches Gottes, das ihnen offenbaret ward, sahen dann auf die Nothdurft der armen Seelen, die ohne Gottes Wort verschmachten müssen, auf ihre Unmündigkeit, welche viel Herablassung und ein kindliches Herz von den Predigern verlangt, faßten sie bei der Hand und führten sie in den Text ein, nahmen den Text zum Thema, ihre Disposition war Gottes Disposition im Texte und die in demselben sich offenbarenden Gedanken und einzelnen Worte Gottes selbst, – und wenn sie es gewonnen, dem Texte den Dienst zu leisten, welchen die Nacht den Sternen thut, indem sie sich sammt der ganzen Welt verbirgt, damit nur diese recht hell und klar gesehen werden, dann war ihre Freude erfüllt. Deshalb aber vermißt man bei ihnen die Ordnung der Gedanken doch nicht: Gott ist ein Gott der Ordnung auch in Seinem Worte – und Sein Wort, also auch Seine Ordnung gaben sie ja nur als treue Knechte Gottes wieder; ja, gleichwie Gott die Sprache, ihre und des menschlichen Denkens Gesetze geschaffen hat, und sich derselben auch als ein Meister und wunderbarer Redner in Seinem Worte bedient; – so lernten jene Seine Diener eben erst aus Seinem Worte so klar und deutlich von himmlischen Dingen reden, als es nach Gottes Willen in menschlicher Sprache geschehen