Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/9

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und dann erst im vierten von Anwendung des gewonnenen Verständnisses für die Predigt redet. Ganz recht nannten die Alten ihre Predigten ἐξηγήσεις: denn eine unter Gebet und Flehen, Studiren und Erduldung der Anfechtung entstandene exegesis oder analysis des Textes, welche mit h. Ehrfurcht einer jeden Zeit nach ihren Verhältnissen erzählt, was Gott zu allen Menschen aller Zeiten geredet hat, ist, meine ich, die demüthigste und edelste, ärmste und reichste, verständlichste und mächtigste Form der Predigt.

 Sofern, was hier geäußert ist, wider die gewohnte und beliebte Rednerweise unsrer Tage anläuft, möchte es durch Vergleich folgenden Stücks aus Fenelons anderem Gespräch von der Beredsamkeit Nachdruck erhalten, – desto mehr, weil es die weltberühmten Redner der alten Heiden und ihre Weise gegenüber der neuen Weise zeigt:

„Was gab man denn vor Alters einer Rede für eine Form oder Gestalt? – – Ich will es euch bald sagen: man theilte eine Rede nicht ein, sondern man unterschied darin alle Dinge, welche nöthig hatten, unterschieden zu werden, mit gehöriger Sorgfalt. Man eignete einer jeden Sache ihre rechte Stelle zu, und man untersuchte gar fleißig, an welchen Ort man jegliche Sache setzen sollte, um sie zu kräftigem Eindruck desto geschickter zu machen. Oftmals würde eine Sache eben so viel, als Nichts geachtet worden seyn, wenn man sie bald anfangs gesagt hätte; allein sie bekommt die Kraft eines endlichen Ausspruchs, wenn sie auf