Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/95

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Würdest du’s schicklich finden, wenn Er zum Werke der blutigen Versöhnung in Herrlichkeit einher prangete? Ach, es geht sehr mit Ihm hinab, wie könnte Ihn die Pracht der Erde erfreuen? Sieh’, das ist Gottes Lamm! Sanftmüthig und demüthig, wie ein zum Opfer bekränztes Lamm, zieht Er unter dem Lobgesang Seiner Schlächter! Wundre dich nicht, so lautete ja das Geheimniß der Weissagung; „Tochter Zion, Dein König kommt zu dir sanftmüthig!“ So sanftmüthig und demüthig mußte Er werden, damit, wenn Er erhöhet wäre von der Erde an das Kreuz, Er allen Sündern desto einladender, desto lockender zurufen könnte: „Ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig! kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seyd! Ich will euch erquicken, Ich will euch Ruhe geben für eure Seelen!“ Weine also nicht über Ihn, bedaure Ihn auch nicht, laß uns freuen und fröhlich seyn! Er hat es überstanden, nun theilen wir Seine Siegesfreude! unterliegend hat Er gesiegt und sterbend überwunden! Halleluja!

 2. Wie lieblich, meine theuern Brüder, ist für Augen, die da sehen, Jesu Einzug nach Jerusalem! Und doch ist Sein Kommen in unsern Tagen schöner, lieblicher und größer, als Sein Kommen nach Jerusalem.

 Zwar kommt Er unsichtbar, aber Er kommt in allem Schmucke Seines Leidens und Seiner Verherrlichung. Sein Einzug in die heilige Stadt war klein, Niemand ahnte, welch’ ein Name über Ihm bei Gott genannt war. Aber nun, nachdem Er gehorsam gewesen ist bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze, hat Ihn Gott vor allen Völkern offenbart, einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Jesaias spricht von Ihm: „Seine Herrschaft ist auf Seiner Schulter:“ das konnte damals Niemand erkennen; Sein armer Rock bedeckte Seine Schulter. Jetzt aber ist Er in königlichen Schmuck gekleidet, in priesterliche Zier, Licht ist Sein Kleid, das Er anhat, – man erkennt’s an Ihm, daß Ihm gegeben ist alle Macht und