Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Vorträge über die Worte JEsu Christi vom Kreuze.pdf/52

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er Seine Seele dem Vater nicht, neigt noch nicht Sein Haupt; aber man sieht, er ist entschloßen, es zu thun. Er hängt nicht etwa in der Schwebe zwischen Lebenshoffnung und Todesfurcht; eher denken die Priester und die Pharisäer unten am Kreuze daran, daß Er mit Händen und Füßen die Nägel wegwerfen und vom Kreuze herabsteigen könnte, als daß Er diese Möglichkeit noch setzte. Nein, Er geht unaufhaltsam, mit aller Sicherheit dem Tode entgegen, deshalb versorgt er die Seinen. Er wußte ja wohl, daß Er Seiner Mutter und Johanni auch nach diesem Erdenleben, im Leibe der Auferstehung nahen könnte und nahen würde, und daß nun auf die Gemeinschaft, die Er bisher mit den Seinen gepflogen, eine andere folgen würde, welche in jeder Beziehung der ersteren vorzuziehen war; aber Er ist auch so ganz ein wahrer Mensch, und auch Sein Leiden und Sterben ist so vollkommen unser Leiden und Sterben, daß der Blick in das Jenseits voll Herrlichkeit, den Er überschwänglich hatte, das tiefinnere Weh nicht aufheben konnte, welches ein jeder Mensch bei der Lösung der irdischen Bande und beim Abschied von allem Zeitlichen empfindet. Eher könnten wir annehmen, daß wir, abgestumpft durch Sünde und Sündenfolgen, als daß Er über die Schmerzen des Abschiedes mit leichtem Fuße hinweggehen konnte. Ich weiß, was ich sage und was man einwenden kann. Auch ich habe in den Acten der Blutzeugen des HErrn von deren bewundernswürdiger Todesfreudigkeit gelesen, und wie sie den Tod nicht geschmeckt haben unter dem Zufluß der übernatürlichen Gnade, unter der Labung und Erquickung himmlischer Kräfte. Auch brauche ich mir gar nicht in den Hintergrund drängen zu laßen die sichere Gewisheit, daß der Herzog aller Kämpfer und