Sieben Vorträge über die Worte JEsu Christi vom Kreuze
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Sieben Vorträge
über die
Worte JEsu Christi vom Kreuze.
Wilhelm Löhe,
lutherischer Pfarrer.
Stuttgart.
Verlag von S. G. Liesching.
1859.
Gedruckt bei K. Fr. Hering & Comp. in Stuttgart.
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Vorwort.
Wenn ich dem Leser der nachfolgenden Vorträge den Anlaß erzähle, aus dem sie in die Oeffentlichkeit übergehen, so laufe ich, obwohl ich damit die Absicht eines Vorworts erfülle, vielleicht große Gefahr, mich und meine Gesinnung gegen ihn noch tiefer herabzusetzen, als die Vorträge selbst in seiner Wertschätzung beim Lesen sinken mögen. Ich finde es so gar nicht unmöglich, daß man in dem Anlaß der Veröffentlichung etwas unwürdiges, und in der Kundgebung desselben etwas unschickliches finden wird. Und doch scheint mir weder Anlaß, noch Veröffentlichung unwürdig zu sein und ich möchte sogar haben, daß man die letztern aus der Bemühung, bescheiden zu sein, erklärte.
Die Diakonissenanstalt Neuendettelsau legte nemlich dies Jahr einen Garten an, nicht zum Luxus, wie einer meinte, sondern zur| Befriedigung mehrfachen Bedürfnisses. Der Gärtner, den wir haben, stellte die Nothwendigkeit vor, einige Einrichtungen im Garten selbst zu machen, ohne welche er die ihm gestellte Aufgabe nicht erreichen könnte. So richtig man seine Gründe fand, hatte man doch keinen Muth, von den Beiträgen, vermöge welcher die Anstalt vorwärts schreiten muß, einen Theil zur Ausführung seiner Vorschläge anzuwenden. Da es gerade Passionszeit war, stellte ich ihm das Manuscript dieser Vorträge mit der Aeußerung zur Disposition: „Vielleicht gibt ein Verleger so viel für die geringe Arbeit, als Sie bedürfen. Was Sie empfangen, legen Sie dann wie Samenkörner in die Erde und laßen zum Preise der Wunden Jesu einen desto schöneren Garten hervorwachsen.“ So sollten also Vorträge über die Passion zum Diakonissengarten helfen, der Garten aber zur Ehre der Wunden Jesu, so wie zu Nutz und Zier einer Ihm geheiligten Anstalt. Was ist daran unwürdiges? Ist doch kein selbstsüchtiger Zweck vorhanden! Fällt doch nur meine Arbeit in die Erde, aus welcher nach meinem Wunsch und Willen nur eitel Ehrenpreis der hochgelobten Schönheit des Gekreuzigten hervorwachsen soll..
Allerdings kann es aussehen, als hielte ich doch wohl auf meine Elaborate etwas, als hielte ich sie der Veröffentlichung und des Preises werth, den ein gütiger Verleger in die Hände des Gärtners geben| würde. Allein ich bekenne in diesem Stücke vom Geiste des neunzehnten Jahrhunderts angesteckt zu sein, in welchem Schreiben und Drucken kaum mehr ist, als reden, und wegen der dadurch hervorgerufenen Urtheile anderer so gar weit mehr zur Demüthigung des Schreibers beitragen kann, als die stille Rede, die man in der einsamen Dorfkirche über die Häupter einer Gemeinde hinspricht oder liest. Der Muth ist in solchem Falle fast immer mehr auf Seiten des Verlegers, als des Schreibers. Ich insonderheit hätte mein Manuscript mit eben so leichtem, ja gar mit leichterem Herzen in’s Feuer oder Waßer fallen sehen, als in die Hand des guten Gärtners. Nun ist es so, und diese Blätter gehen mit anderen Blättern, die alljährlich der Wind zu tausenden verweht, durch die Lüfte hin, um dann bald auf den Boden der Vergeßenheit zu fallen. Schaden werden sie niemand, vielleicht etwas nützen, und ihr nächster Zweck ist ohnehin erreicht..
Aber ist es nicht wirklich unschicklich, daß ich Anlaß und Absicht der Veröffentlichung offenbare? Ich meine nicht; ich dünke mich nicht demüthig, aber bescheiden, indem ichs thue. Ich will ja damit nichts anderes sagen, als: „Lieber Leser, ich würde Dich mit diesen Blättern nicht behelligen, wenn ich mich nicht mit der allgemeinen Schreibseligkeit des neunzehnten Jahrhunderts entschuldigen könnte, und wenn nicht der Gärtner gewesen wäre. Nicht die Werthschätzung meiner Arbeit,| sondern das kleine Wagnis einer Veröffentlichung, die Meinung, keinen Schaden zu stiften, der Diakonissenanstalt aber einigen Nutzen zu bringen, das ist der Vorrath meines Grundes zur Veröffentlichung dieser Blätter.“ – So nimm sie denn hin und lies, wenn Du willst, und prüfe, wenn Du kannst, Du wirst ja hoffentlich sehen, daß diese Vorträge nicht am Erdboden eines Gartens, sondern an den Worten des Gekreuzigten kleben. Ich aber wünsche Dir mehr, nemlich daß Dein Herzensboden ein blühender Garten zu Lob und Preis der Wunden Jesu und Seiner letzten Worte werde, und daß er in der Wahrheit all den Ehrenpreis übertreffe, der vorbildlich dem HErrn Jesus im Diakonissengarten zu Dettelsau grünen und blühen soll.
Am 14. Mai 1859.
Der Verfaßer.
Lectori autor!
Epheser 4, 4–6.