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III.

 Nach diesem allen kann man sagen: Den Eltern todtgeborener Kinder liege es, je gewisser dieselben wie alle andern Todten anzusehen seien, desto weniger an der Versicherung, daß sie leben, als an der, daß sie selig seien, und da habe man nun eben bedeutende Zweifel, weil die Todtgeborenen die Taufe nicht erlangten. Darauf ist aber einfach zu antworten, daß die Taufe für die Todten nicht eingesetzt, noch gegeben ist, sondern für die Lebenden, sintemal es am Tage ist, daß nicht wiedergeboren oder getauft werden kann, wer nicht geboren ist und lebt. Wer getauft werden soll, muß in die irdische Schule Jesu gebracht und nach der Taufe gelehrt werden können alles, was Jesus Christus befohlen hat. Das können die Todtgebornen und Todten nicht; es kann ihnen also auch die Taufe nicht vermeint sein, sondern für die Kindlein, die das Licht der Welt nicht sehen, gibt es entweder keine Seligkeit, oder es muß ihnen dieselbe auf anderen Wegen, als auf denen der ordentlichen Gnadenmittel gegeben werden. Der HErr, welcher Seine Gnade für die, welche leben, an den Gebrauch der Gnadenmittel zu binden pflegt, ist doch nicht selbst an Seine Gnadenmittel gebunden, am wenigsten in Anbetracht derer, denen sie gar nicht vermeint sind. Er kann, wenn er will, um Jesu Christi willen die Kindlein im Mutterleib selig machen, wie er den heiligen Johannes in Mutterleib mit Seinem Geist erfüllte, und es kommt blos darauf an, ob wir eine Ursache haben zu glauben, daß er es will. Ich denke aber wir haben solche Ursache ohne Zweifel. Sollte der HErr, der barmherzig und gnädig ist, die Kindlein, die im Mutterleibe sterben, verwerfen, da

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Wilhelm Löhe’s Tractate für die Seelsorge. II: Trost für Eltern über todtgeborne Kinder. U. E. Sebald’sche Buchdr. u. Verlagshandlung, Nürnberg 1860, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Tractate_f%C3%BCr_die_Seelsorge_2.pdf/5&oldid=- (Version vom 27.7.2016)