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von dem Ministerium des größeren Complexes, zu dem sie gehört, Wahl und Berufung vorzunehmen haben.[1] – Daraus geht denn auch erst unzweifelig hervor, was P. Grabau selbst unter dem Widerspruch seiner sächsischen Freunde p. 39. sagt: „Rite vocatum esse, ist nicht einerlei mit der Vocation der Ortsgemeinde.“ Und eben danach ist auch der an sich richtige Satz P. Grabau’s zu faßen: „Der ordentliche Beruf oder das rite vocatum esse im 14. Art. August. Conf. ist der allgemeine Begriff, welcher electio, vocatio und ordinatio umfaßt, mithin ist die Vocation der Ortsgemeinde nur ein Theilbegriff von rite vocatum esse.“ Ueberall geht die Gemeinde mit dem Amte, und ohne das Amt setzt sie ordentlicher Weise niemand ins Amt.

Ad. c.

 Wenn P. Grabau’s Aeußerungen über Wahl und Berufung der Aeltesten eben so wie die der sächsischen Freunde der apostolischen Praxis und der aus ihr uns zugehenden Weisung widersprechen; so liegt das nur in einer Art von Unklarheit, da seine übrigen Ansichten nicht dazu paßen. Es hätte nur des Wegstreichens etlicher Sätze in Grabau’s Briefen bedurft, so würde b dieses Aufsatzes weggefallen und in c als Irrthum der Freunde in Missouri etc. eingerückt worden sein. Bei diesen hängt die ganze Ansicht zusammen, ähnlich, ja noch consequenter wie bei manchen der ältesten lutherischen Theologen, und sie berufen sich meines Erachtens ohne groß Unrecht auf Luther. Wer Luthers Schrift von 1523: „Grund und Ursach aus der Schrift, daß eine christliche Versammlung oder Gemeine, Recht und Macht habe, alle Lehre zu urtheilen und Lehrer zu berufen, ein und abzusetzen“ – oder die von demselben Jahre, auf welche sich die sächsischen Brüder am liebsten berufen: „Von Einsetzung und Ordnung der Diener der Kirchen d. i. der Gemeine. An den ehrsamen und weisen Rath der Stadt Prage des Böhemischen Landes“ aufmerksam durchliest, darf nur weniges übersehen und consequent bei dem Hauptgedanken stehen bleiben, so wird er zugestehen daß die sächsischen Brüder getreu an Luthers Ansicht halten, wenn sie den predigerlosen Gemeinden das Recht der Wahl und Berufung ihrer Prediger zuschreiben. Das Wenige, was man leicht übersehen kann, aber nicht soll, finde ich in einem Satze der letztangeführten Schrift Luthers, welche ich in einem deutschen Autographon [„Aus dem Lateyn in das Teutsch gebracht und gezogen im Jahr 1524. Martinus


  1. Vgl. Delitzsch „Vom Hause Gottes oder der Kirche“ (Dresden bei J. Naumann 1849.) p. 43. Frage 32. „Durch wen wurden die ersten Presbyter eingesetzt? Antwort: Durch die Apostel oder ihre Bevollmächtigten, wie in Ephesus durch Timotheus und auf der Insel Creta durch Titus. Diese setzten die Presbyter nicht bloß ein, sondern wählten sie auch; doch waren nur diejenigen wählbar, die „„ein gut Gerücht bei den Brüdern““ hatten.“ – Fr. 33. „Wer hatte nach der Apostel Tode die Presbyter einzusetzen? Antw.: Die bestehenden Presbyterien. Wir sehen dies schon daraus, daß selbst der Apostel bei der Amtsweihe des Timotheus das Presbyterium der Stadt (Lystra oder Ephesus) zuzog. Die Gemeinden haben das Recht der Betheiligung bei der Wahl, die Wahlbestätigung aber und Bestallung ist Sache des kirchenamtlichen (keines weltlichen) Regiments.“
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)