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so doch des Ordinationsgebetes betrachtet. Nicht bloß aus späterer Lehrer, wie z. B. aus des vielverkannten, aber vortrefflichen V. E. Löscher, Munde, sondern auch aus den Zeugnissen früherer Zeiten, z. B. gerade aus Balduins Schriften, ließe sich Beweisendes liefern, wenn es der Raum gestattete.[1]

 Das zwiefach geschiedene Zeugenregister ließe sich aus den zahlreichen Kirchenordnungen der lutherischen Kirche gar wohl vermehren, und wenn man auch in Anbetracht vieler Stellen die Entstehung ihres Wortlauts so erklären kann, daß die Worte ihr Gewicht verlieren, – wenn man Unklarheit und Tautologie (synonym. Gebrauch der Worte „ordnen“ und „bestätigen“) genug finden wird: mit allen Stellen, welche von der Ordination im höhern Tone reden, gelingt ein solcher Erklärungsversuch nicht. Oder was will man denn mit der von Grabau p. 63. angeführten Stelle aus der Nürnberger Kirchenordnung von 1592 machen, wo es heißt: „Es ist also das Predigtamt, das unser HErr selbst angefangen, eingesetzt und verordnet hat, immer von einem auf den andern kommen, durch das Handauflegen der Hände und Mittheilen des heiligen Geistes bis auf diese Stund. Und das ist auch die rechte Weise, damit man die Priester weihen soll und allewege geweihet hat und soll noch also bleiben. – Denn das, was man sonst für andere Ceremonien dabei getrieben hat, die sind ohne Noth von Menschen hinzugesetzt und erfunden worden.“ Hier ist einmal mit deutlichen Worten eine Ansicht ausgesprochen, welche der andern bekannten Auffaßung e diametro widerspricht, – und man wird sich eben doch herbeilaßen müßen, eine doppelte bis auf Luthers Zeit heraufsteigende, dort von Luther und Melanchthon selbst – bewußter oder unbewußter (Melanchthons sacramentum ordinis in der Apologie!) – repräsentirte Ansicht von der Ordination innerhalb der lutherischen Kirche anzunehmen. Möglich, daß von hier aus einmal eine doppelte lutherische Richtung auseinandergeht, eine mehr demokratische und eine mehr hierarchische, wenn man diese Worte im beßern Sinn gebrauchen darf. Noch wohnen sie aber friedlich neben einander, und wenn sich die Geister nicht verbittern und erhitzen, so finden sie vielleicht zusammen die Wahrheit. Mangelt gleich ein Generalbefehl, können sich auch nicht alle gleich leicht aus dem Speciellen das Generelle in diesem Punkte abstrahiren; so liegt doch vor uns eine ungezweifelte apostolische, gewis nicht leere Praxis, die von fast allen Kirchen zu allen Zeiten fest gehalten wurde. Halte man diese fest, und was unklar ist, ob die Ordination allgemein befohlen, also göttlich ist, oder nicht, darüber abzuschließen laße man sich Zeit. Der HErr wird den Redlichen und Aufrichtigen Licht und Frieden nicht versagen, er wird, was auf uns als eine noch nicht abgeschloßene Frage gekommen ist, durch Seinen Geist, der in alle Wahrheit leitet, gnädig lösen.

 Was mich anlangt, so verhehle ichs nicht, daß ich in diesem Punkte auf Grabaus Seite mich neige. Ich will mich hier nicht auf meine Einwendungen


  1. Cf. Delitzsch’s Haus Gottes p. 57. Fr. 52, wo man die ermittelnde Ansicht in schönster Form findet.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/123&oldid=- (Version vom 1.8.2018)