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gegen die gewöhnliche, individuell lutherische Auffaßung der Ordination berufen, obwol sie noch mit nichts widerlegt sind. Aber ich sage es einfach: „Mir scheint die Ordination kein Adiaphoron. Im Zusammenhang des ganzen Lebens der ersten Zeit ist der Ordinationsbefehl generell und ganz allgemein zu verstehen, er wurde auch so verstanden. Die symbolischen Stellen sind zusammen zu faßen, nicht vereinzelt zu betrachten, dann klingen sie zusammen – oder sind wenigstens mühelos in meliorem partem und so zu deuten, daß eine zukünftige allgemeinere Erkenntnis von der Schriftmäßigkeit der Ordination mit ihnen nicht in Widerspruch stehen, sondern sich zu ihnen verhalten wird wie das Klare zum Unklaren, wie zum Stand, den man zuvor eingenommen hat, ein Fortschritt.“ – Meines Erachtens bahnt sich auch dieser Fortschritt an mehr als einem Orte an. Herr Professor Delitzsch sagt in seinem schon einmal angeführten Katechismus p. 49. auf Fr. 35. („War die Handauflegung ein bloßes Zeichen der Amtsertheilung?“): „Keineswegs, vielmehr empfingen die, welchen die Hände aufgelegt wurden, für den Zweck ihrer kirchlichen Wirksamkeit den heiligen Geist und den für ihr Amt nöthigen Segen. Ein Sacrament ist die Handauflegung freilich nicht, aber vollzogen in der Kraft apostolischen Glaubens und Lebens ist sie heute noch kräftig, denn das gläubige und ernstliche Gebet, welches den heiligen Geist auf den zu Weihenden herniederfleht, kann auch heute nicht unerhört bleiben. Wie wichtig der apostolischen Kirche die Handauflegung war, als das Zueignungsmittel der zur allgemeinen christlichen und amtlichen Wirksamkeit nöthigen Ausrüstung des Geistes, sieht man daraus, daß die Lehre von den Taufhandlungen und von der Handauflegung (Ebr. 6, 2.) unter die Grundartikel christlicher Lehre gerechnet wurden.“ So, wie Herr Professor Delitzsch werden gewis namentlich unter denen, die im Amte leben, viele denken; seine Worte werden ihnen aus dem Herzen geschrieben sein – Liegt doch selbst in der von den sächsischen Pastoren in Missouri p. 72. der vielerwähnten Actensammlung gegebenen Erklärung der Ordination eine Art Annäherung oder ein Anknüpfungspunkt für weitere Entwickelung. „Die Ordination, sagen sie, ist nichts anders, als publica testificatio vocationis, verbunden mit dem erbetenen und ertheilten Segen des HErrn.“ Man kommt doch immer auf eine mit Erfolg geübte apostolische Praxis. Woher am Ende der Erfolg, der Segen, als von der Verheißung, die, wie in andern Geboten, so auch im Ordinationsbefehle ruht und durch das Ordinationsgebet ergriffen wird?




 Noch eine Lehre Grabau’s ist übrig, welche von den Missouriern bestritten wird, und zwar ebenfalls ganz nach dem Vorgang älterer lutherischer Theologen. Es ist die von Grabau (p. 15. Nr. 3. p. 45. 46.) ausgesprochene, von den Brüdern in Missouri (p. 28. f.) widersprochene von dem Verhältnis des heiligen Amtes zum Sacrament. Grabau legt, gleich den Freunden in Missouri, das größte Gewicht auf die Einsetzungsworte; dennoch behauptet er auch: „Die Kirche hat seit den ältesten Zeiten geglaubt, daß zur rechten Verwaltung der heiligen Sacramente, zur Ertheilung der Absolution nicht allein das Wort der Einsetzung an sich gehöre, sondern auch der rechte göttliche Beruf und Befehl; und

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)