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persönlichen Zustände der Gemeinde, auf Bekenntnis und Lehre genommen. Ist aber das der Fall, wirken persönliche Zustände auf Giltigkeit und Kraft der Sacramente ein, sind sie wenigstens in geringem Theile maßgebend; so könnte möglicher Weise mehr, als gewöhnlich, darauf gedrungen werden müßen, daß das Sacrament des Altars (und die Absolution) von recht berufenen Pastoren verwaltet werde. Denn hier ist ja nicht sacramentum initiationis, daß es jeder geben könnte, der selbst ins geistliche Priesterthum eingeweiht ist; sondern hier ist von dem nährenden und zum ewigen Leben erhaltenden Gnadenwort und Sacrament die Rede, für dessen richtige Verwaltung im Amte eben eine solche Bedingung liegen könnte, wie im geistlichen Priesterthum des Täufers eine Bedingung für die Taufe, d. i. für ihre Kraft und Geltung liegt.

 Wenn es den Hausvätern zu misrathen ist, beim Mangel an Pastoren den Ihrigen selbst das Sacrament zu reichen, so ist auch hier wieder eine Art von Rücksicht auf einen persönlichen Zustand, auf das Amt. Wenn gar nichts auf das Amt ankommt, sondern allein auf Wort und Element zu sehen ist, warum soll denn ein Mensch, welcher das geistliche Priesterthum hat, nicht auch Fug und Macht haben, das heilige Abendmahl zu reichen? Wenn es gleich nur eine Nothtaufe, aber kein Nothabendmahl gibt: warum soll denn die Sehnsucht des einsamen, von seinem Beichtvater und jedem Pastor weitentfernten Christen nicht doch Grundes genug sein, kraft des allgemeinen Priesterthums durch Laienhand ihm das Sacrament reichen zu laßen? In der Schrift an die Böhmen ist Luther ganz consequent. Wer kraft seines allgemeinen Priesterthums lehren und taufen kann, kann auch consecriren: das ist sein Satz. „So das Mehrere uns allen verliehen und gegeben ist, nemlich das Wort Gottes und die Taufe, so mag auch das Mindere nicht abgeschlagen werden, nemlich Consecriren, und wann schon hie der Schrift Autorität gebräche. Wie denn Christus selbst arguirt Matth. 6.: „„Die Seele ist mehr denn der Leib und der Leib mehr denn die Speise.““ Hat nun Gott dieses zugelaßen, wie viel mehr dasjenige.“ – Hier, bei Luther, ist Consequenz. Warum ist ihm die lutherische Kirche nicht nachgefolgt? Doch wohl aus Rücksicht auf den persönlichen Zustand des Amtes, obwol man auch einige andere geringere Gründe anführen könnte, die aber sämmtlich kein völliges Verzichtleisten auf das Sacrament im Zustand des Pastorenmangels begründen.

 Ich sage vorerst nicht, daß das Amt wirklich eine Bedingung für Giltigkeit und Kraft des Sacraments sei. Ich will es dahin gestellt sein laßen. Aber weil die lutherische Praxis mit der gewöhnlichen Theorie nicht stimmt, für den im Amte lebenden Praktiker aber jeden Falls die Ruhe einer sichern Theorie gewonnen werden muß; so scheint mir, bei dem Schweigen der Symbole, auch diese Frage in der Schwebe, in einer solchen zwar, die auf Entscheidung dringt, und ich denke, es wird auch das Beste sein, sie als eine solche zu behandeln. Man wird aber die Sacramentsverwaltung und Absolutionsertheilung jedenfalls in so lange den mit dem Amte Betrauten allein überlaßen müßen, als nicht erwiesen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)