Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/100

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hatte sie während des Gottesdienstes gerührt, und da lag sie, todesnahe, ein Beispiel von unserer Hinfälligkeit. Doch noch einmal half Gott der HErr. Sie erwachte, sie freute sich, einige Tage außerordentlicher Freudigkeit und Freundlichkeit traten ein – und am Sonnabend Morgens stand sie auf, um am Sonntag im Kreise ihrer hiesigen Angehörigen zu sein. Es war ihr wohl, nur daß sie über einen leiblichen Mangel klagte, den man nicht als hoch anschlug. Da rührte sie am Nachmittag des Samstags ein nur ganz kurz geahnter Nervenschlag, ihre Rechte, ihr Arm und Fuß und ihre Zunge wurden gelähmt – und unaussprechliche heiße Leiden kamen nun, abwechselnd mit Stunden und mit Minuten der Erleichterung über sie. Solche Tage und Nächte des Jammers hatte sie in 83 langen Jahren nicht erlebt, und ach, – sie endeten am verwichenen Mittwoch 6. Juli 5 Minuten nach 1/44 Uhr mit ihrem Tode, nachdem sie 83 Jahre 1 Monat 24 Tage in dieser Welt gelebt hatte.

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 Dieser äußerliche Abriß eines eben so einfachen, als reichbewegten Lebens ist nun aber nicht das, was wir hier wissen wollen, sondern es ist eine uralte, ehrwürdige und heilsame Sitte der Christenheit, den Lebenslauf der Entschlafenen so anzusehen, daß man daraus Beispiele des Glaubens und der Heiligung entnehme und Ursachen, die Gnade und Barmherzigkeit des HErrn zu preisen. So habe ich’s immer gehalten, so halte ich’s auch hier und glaube, ohne von der Wahrheit zu weichen, auf unsere Vollendete weisen und sagen zu dürfen: „Schauet ihr Ende an und folget ihrem Glauben nach.“ Ich glaube, ihren ganzen Wandel als Christin nicht besser bezeichnen zu können, als mit den Worten, mit welchen der selige Dr. Fronmüller den geistlichen Lebenslauf ihres Vaters zusammenfaßte. Es sind diese: „Er erkannte, bereute, beseufzte seine Sünden und hielt sich im Glauben an die Gerechtigkeit Jesu Christi und an die

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)