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verordneten Heilsmittel, besonders durch den würdigen Gebrauch des heiligen Abendmahles, damit durch selbigen die Gnade Gottes und erhaltene Vergebung der Sünden möchte versiegelt werden.“ Ganz so habe ich sie erkannt.

 Sie hatte Schwachheiten und Gebrechen, wie alle Menschen; aber ich habe sie oft in ihrem Leben sich geistlich in den Staub legen sehen vor Gott dem Heiligen. Es ist nicht die Uebertreibung kindlicher Liebe, sondern das wahrhaftige Zeugnis eines Dieners Christi, wenn ich sage: Sie hat mit tiefer Ehrfurcht vor dem HErrn die heilige Absolution gesucht und sie mit inniger Begier, mit viel Bewegung empfangen unter den Ergüssen dankbarer Thränen. Besonders schien mir ihr letzter öffentlicher Beichtgang ein sehr feierlicher gewesen zu sein. Und mit welcher Inbrunst der Seelen, mit welcher Andacht hat sie am vorigen Sonntag die Absolution empfangen! Ja, als sie nicht mehr reden konnte, ihre Zunge wie eine ausgetrocknete Scherbe im Munde lag, da zog sie mein Haupt zu ihrem Munde und lispelte vernehmlich: „Wird mir doch Jesus auch alle meine Sünde vergeben haben?“ Mein ernstes Ja, meine amtliche Versicherung machte sie zufrieden: ich sah ihr stilles Auge und hörte ein leises, vergnügtes: „So!“ – So nah lag ihr das Elend ihrer Sünde – und man darf sagen, das war ihr Zeichen bis zum letzten Hauch: „Gefühl der Unwürdigkeit, Kleinheit vor Gott.“ Von diesem Gefühl befürchtete und bemerkte ich ihre ernsteste Anfechtung, und meine seelsorgerliche Behandlung gieng darum stracks darauf hin, den Feind zu bekämpfen und das Gefühl der Sünden im Glauben zu verklären zur heiligen Demut eines von Gott begnadigten Christen, und ich hoffe, der HErr hat’s gethan.

 Ihr Glaube, von Jugend auf in ihr gepflanzt, später von einer ungläubigen Zeit angefochten, aber hernach bei Eintritt der

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)